„Ach Kirche, halt die Klappe!“
Was für ein Wochenende liegt hinter uns! Über hunderttausend Frauen, Kinder und vereinzelt Männer haben für Gleichberechtigung der Geschlechter, gegen Diskriminierung und Sexismus demonstriert und zehntausende Menschen haben sich in Zürich versammelt, um für die Gleichwertigkeit verschiedener sexueller Identitäten und Lebensentwürfe einzustehen!
Viele Kirchenmitglieder haben sich dabei engagiert und dies bewusst als Christinnen und Christen getan. Das ist dringend notwendig, für eine katholische Kirche, die ihre Basis in diesen Fragen (Frauen, Homosexualität) längst verloren hat und deren Gesicht in der medialen Öffentlichkeit durch reaktionäre Kräfte zur Fratze entstellt wurde und wird. Und es tut nicht weniger Not innerhalb der Reformierten Kirche, die auf nationaler Ebene zum Thema „Ehe für alle“ keine Position vertreten mag, sondern verschiedene Positionen gegenüber gleichgeschlechtlichen Paaren theologisch vertretbar hält und darum Diskussionsbedarf anmeldet. Nur nicht zu laut und keinesfalls politisch potent. Scheinheilig, als ob man nicht gerade damit eine Position bezieht, dass man die Frage unbeantwortet lässt…!
Diesen Restaurationstendenzen setzten alle diese Christinnen und Christen ein Korrektiv entgegen: Wir lassen euch Reaktionäre das Evangelium nicht instrumentalisieren für Unterdrückung und Erhaltung ungerechter Politik, unfreimachender Theologie und scheinheiligen Glaubens!
Dagegen kann man schwer sein. Ein Christentum, das Unfreiheit befördern möchte, wäre schwer zu verteidigen. Die Gegner und Gegnerinnen die mir auf den Sozialen Medien begegnet sind, diskutieren deshalb auch nicht „Gleichberechtigung“, sondern wechseln auf eine scheinbare Metaebene: „Kirche soll sich nicht politisch einmischen, sondern das Evangelium verkünden!“
Das ist grotesk! Denn es bedeutet: „Kirche, lies aus der Bibel vor oder halte die Klappe!“ Das könnte denen so passen… Das Evangelium wurde nämlich verkündet, als „Pro Mahnmal“ in Zürich der Opfer von Unrechtsjustiz gedacht hat, als die Frauen in Bern „Gleichberechtigung. Punkt. Amen!“ gefordert haben, als die Synodalratspräsidentin mit dem Kirchenratspräsidenten und der jüdisch liberalen Gemeinde an der Pride Farbe bekannte.
Das Evangelium war am Anfang ein Wort. Aber immer ein Wort, das zur Tat werden sollte. Zuerst und vor allem für die, die noch keine Stimme haben.
Weitere Beiträge zum Thema «Ehe für alle»:
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Die Meinung des Autors in diesem Beitrag entspricht nicht in jedem Fall der Meinung der Landeskirche. Blog abonnieren Alle Beiträge ansehen
Barbara Oberholzer
Gepostet um 06:28 Uhr, 17. JuniHoi Stephan! Auch wenn dein Beitrag „nicht in jedem Fall der Meinung der Landeskirche entspricht“ ? – ich fühl mich sowas von angesprochen! Gruss aus Tel Aviv ?,! Selbst das „heilige Land“ ist nicht mehr ewiggestern, Barbara
Barbara Oberholzer
Gepostet um 06:34 Uhr, 17. JuniIch vermisse und vermisste übrigens auf unserer ref. Homepage irgendwas zum Frauenstreik oder Pride Parade. Die kath. Kirche hat was gebracht. Weshalb ist der deutsche Kirchtag wichtiger, als was bei uns abgeht?
stephan
Gepostet um 06:38 Uhr, 17. Junidanke barbara! geniesse tel aviv! zur ehrtettung: facebook, twitter und insta waren dafür voll 🙂
Anonymous
Gepostet um 07:34 Uhr, 17. JuniJa, auf Facebook gab es einen shitstorm in Schaffhausen, weil die Munotwächterin es gewagt hat, eine lila Fahne aufzuziehen und abends das Munotglöckchen nicht zu läuten!!!!!
Heinz Leuenberger
Gepostet um 07:47 Uhr, 17. JuniIch teile deine Meinung voll und ganz: Kircher ist immer politisch, auch und gerade wenn sie schweigt: dann gibt sie dem Status Quo recht. Dass die reformierte Kirche Schweiz zur Ehe für alle keine Stellung bezieht ist für mich nicht verstehbar
Brigitte Hauser
Gepostet um 10:15 Uhr, 17. JuniDie fehlende Stellungnahme der reformierten Kirche Schweiz für die Ehe für alle ist feig. Homophobie ist keine Meinung. Und dazu zu schweigen nicht vertrauenswürdig. Ich war an der Pride. Hinter das abgebildete Transparent oben hätte ich mich nicht stellen mögen. Einerseits supii, andererseits „scho es bitzli pinkwashing“.. Fakt ist leider auch, dass unter Federführung christlicher Kirchen weltweit LGBTIQ+Lebensformen unter Strafe bis Todesstrafe stehen. Kenia hat das kürzlich wieder bestätigt. Botswana dagegen hat erst vor ein paar Tagen die Strafbarkeit aufgehoben.
michael vogt
Gepostet um 11:21 Uhr, 17. Juni„Das Evangelium war am Anfang ein Wort. Aber immer ein Wort, das zur Tat werden sollte. Zuerst und vor allem für die, die noch keine Stimme haben.“ das sind aber auch die embryonen, die im reagenzglas geschädigt werden. wir haben ein problem. da müssen wir hinten oder vorne raus. da ich noch nicht sehe, ob wir vorne raus können, zögere ich. das reagenzglas ist es, das mir die überzeugung für die homo-ehe nicht erlaubt. es käme mehr zur anwendung. nach meiner meinung ein blinder fleck in der gleichstellungspolitik (gender, diversität), der die frage aufwirft, ob es deren noch andere gibt. was verachtung und gewalt angeht, ist das sich selbst offenbarende wort eindeutig. eine andere frage ist die nach der freiheit. da erscheint mir der beitrag kurzschlüssig. es droht auch hier scheinheiligkeit. es ist wie bei der einführung von 5g: wir wissen entscheidendes noch nicht. das nicht-wissen ist auch bestandteil der freimachenden wahrheit. (1kor 2.2, joh 8.32) im übrigen war ich auch an der pride. wir hatten den plausch. das ja zu den verschiedenen personen, das die politische übereinstimmung nicht voraussetzt, aus dem sie wachsen kann.
Daniel Oswald
Gepostet um 13:21 Uhr, 17. JuniDie Gleichstellung bezüglich Ehe für Schwule, Lesben, Queer wegen Kritik an künstlicher Befruchtung abzulehnen ist ja grotesk. Es ist nach wie vor die überwiegende Mehrheit von heterosexuellen Paaren, die aus unterschiedliche Gründen auf diesen, durchaus kritisch zu betrachtenden Fortschritt der Medizin zurückgreifen. Berücksichtigt man das Verhältnis an lesbischen Frauen und heterosexuellen Frauen die IVF in Anspruch nehmen, wird sich der Fakt auch in Zukunft nicht ändern, dass heterosexuelle Frauen die Mehrheit (ca. 85-90%) stellen.
Carsten Ramsel
Gepostet um 20:16 Uhr, 17. JuniLieber Stephan
Wenn in Zürich zehntausende Christinnen und Christen für etwas auf die Strasse gehen, dass in Bern, Basel und Zürich gesellschaftlicher Konsens ist, heisst das im Umgekehrschluss, dass es Hunderttausenden Christinnen und Christen innerhalb und ausserhalb dieser Schweizer Grossstädte egal ist oder sie eine andere Meinung vertreten, sie sich aber aus gesellschaftlichen Opportunismus nicht äussern und eine öffentliche Stellungnahme lieber vermeiden. Wenn den Gegnerinnen und Gegnern die Instrumentalisierung des Evangeliums vorgeworfen wird, aber man selbst behauptet mit den Demonstrationen das Evangelium in Wort und Tat zu verkünden, ist von aussen kein begründeter Unterschied wahrzunehmen – die eine sagt so, der andere so. Erscheint es gesellschaftlich und politisch opportun, verkündet man in Wort und Tat das Evangelium (mutatis mutandis ist dies der wahre Islam), Anderen, die abweichende, reaktionäre Positionen vertreten, spricht man die Berechtigung ab, im Namen des Evangeliums oder einer bestimmten Religionsgemeinschaft zu sprechen, Und vielleicht ist es gerade dieser Opportunismus und die Beliebigkeit, die Manche als Vielfalt verkaufen möchten, die Kritikerinnen und Kritiker rufen lassen, haltet endlich Eure Klappe, wir glauben Euch nicht mehr.
Ich möchte einen Vorschlag machen, wir stecken jene, die schreien die Kirche soll ihre Klappe halten mit den Religiösen zusammen in einen Sack, die für sich Meinungs- und Religionsfreiheit beanspruchen, sie aber Anderen absprechen, wenn begründete Kritik geäussert wird. Für jede und jeden werfen wir eine Verfassung mit in diesen Sack. Wir lassen sie erst dann raus, wenn sie jene Rechte und Werte, die in der Verfassung verankert sind und das Zusammenleben regeln (vulgo: Menschenrechte) auch für den jeweils Anderen garantieren und glaubhaft versichern, sich dafür einzusetzen. Und so lange die beschäftigt sind, schliessen wir Anderen uns zusammen, um – aus unterschiedlichen Gründen – diese in der Verfassung stehenden Rechte in eine politische Realität umzusetzen.
Herzliche Grüsse aus dem Grossen Kanton im Norden
Carsten
michael vogt
Gepostet um 08:44 Uhr, 18. Juniein absprechen von meinungs- und religionsfreiheit sehe ich nicht, eher ein gemälde in schwarz weiss – was doch eigentlich nicht so gut zum regenbogen passt. ich habe den beitrag als „frech“ bewertet, dh positiv, als ausdruck eines leidenschaftlichen einsatzes – der sich andererseits wiederum in einem unlogischen schluss zeigt, die reformierte kirche würde meinen, eine nicht-position sei keine position. insgesamt gefällt mir Ihr kommentar als gegengewicht – und das gegenüber dem beitrag eines freundes. alle achtung! die wahre gleichstellung vor der angenommenen wahrheit.
stephan jütte
Gepostet um 10:42 Uhr, 18. JuniLieber Carsten,
Aus einer religionsbeobachtenden Perspektive kann man das gewiss so sehen 😉
Als Betroffener bleibt mir aber keine Wahl, als um das Evangelium zu streiten, d.h auch darauf zu beharren, dass es unter den vielen möglichen Lesarten „bessere“ und „schlechtere“ gibt. Das kann ich nicht textimmanent tun, sondern nur im Hinblick auf die Kirche, die ihre Geschichte mit dem Evangelium durch alles hindurch als Lerngeschichte annehmen und aufarbeiten muss.
Habermas, der heute ja runden Geburtstag feiert, hatte bekanntlich ein freundlicheres Bild, als das vom Sack: Ein Bild kooperativer Lernbereitschaft, innerhalb derer religiöse Überzeugungen aus eigenen Gründen den liberalen Rechtsstaat anerkennen (lernen) und die säkulare Öffentlichkeit das, was es an Religion um ihrer (Öffentlichkeit) selbst willen zu retten gilt, nicht verliert.
Herzlich aus Zürich, Stephan
michael vogt
Gepostet um 14:04 Uhr, 19. Juni„der zwanglose zwang zum besseren argument“, sagte der gefeierte aber auch. dh man sollte sich durch nichts anderes gezwungen fühlen, einer argumentation zuzustimmen, als eben durch die argumentation selbst. die kritik an Ihrem beitrag in dieser diskussion bezieht sich nicht darauf, d a s s, sondern w i e Sie „um das evangelium streiten“. eine these wie diese zur antwort des sek muss ungestraft und ungeächtet geäussert werden dürfen: unabhängig davon, wie meine sexuelle orientierung entstanden ist, sie kommt von gott. einverstanden. das schliesst aber nicht aus, dass sie resultat eines gesamtgesellschaftlichen verdrängungsprozesses ist, in dem wir uns nicht bequem einrichten sollten. (vgl 2kor 5.18, 1kor 4.7, rm 1.18)
Esther Gisler Fischer
Gepostet um 11:59 Uhr, 18. JuniLieber Stephan
Danke für deine klaren Worte, welche ich vollumfänglich unterstütze! Auf die darauf folgenden Taten bin ich gespannt.
Nur noch eine kleine, doch aus meiner Sicht nicht unerhebliche Präzisierung sei mir erlaubt: Bei der von dir erwähnten ‚kath.‘ Kirche handelt es sich wohl um die ‚röm.-kath.‘-Kirche nicht`! Die christ-katholische Kirche kennt die Gleichstellung von Frau und Mann schon länger und ist auch nicht auffällig geworden mit Missbrauchsfällen et. al..
Mit einem frohen Nachstreikgruss
Esther.
Stephan Jütte
Gepostet um 14:50 Uhr, 18. JuniAu ja, da sitze ich selbst dem römischen Marketingtrick auf… Merci, hzl, Stephan
Corinne Duc
Gepostet um 23:01 Uhr, 20. JuniDie «Evangelischen» Kirchen sollte sich vor allem reformieren.
Aber wie jene, die glauben wenn ein alter Baum hohl werde, müsse er krank sein und daher mit Beton vollgestopft werden (https://www.myheimat.de/marburg/natur/warum-sind-alte-baeume-innen-hohl-d2685552.html ), so verstopfen sie die offenen Stellen mit rigiden Floskeln und füllen Biblizismus bis ganz nach oben hinauf, damit sie aussehen als stünden sie besonders stramm und fest.
Aus Angst, unser eigenes Nichtwissen eingestehen zu müssen, opfern wir der Päpstin Biblizismus weiterhin Verstand und Weisheit, anstatt auf die Liebe Gottes vertrauend selber Verantwortung zu übernehmen und unser Verhalten (im Denken wie im Handeln) kritisch zu reflektieren.
Wenn sich die «Reformierten» Kirchen weiterhin hinter der biblizistischen Frönerei verstecken, anstatt die befreiende Botschaft des Evangeliums zu verkünden, können sie ihre Aufgaben nicht erfüllen sondern tun genau das Gegenteil dessen, was sie eigentlich predigen sollten.
Nein – dieses «sollten» ist nicht legalistisch gemeint. Aber die Anerkennung menschlicher Würde und Freiheit (z.B. auch unabhängig von ihrem Geschlecht oder was ihnen als Geschlecht zugeordnet worden ist, heiraten zu dürfen) ist genau jene Voraussetzung die es braucht, um Allgemeine Menschenrechte (- schliesslich auch ein Ausdruck von Achtung und Liebe) zu fördern und erhalten.
michael vogt
Gepostet um 09:04 Uhr, 21. Junider alte baum ist hohl, hält so dem sturm sogar besser stand. er ist leer. der osten sagt: alles ist leer. dem entspricht bei uns meines erachtens das abgetan werden des stückwerks. nicht erst in der zukunft. ohne stückwerk kommen wir nicht aus. aber ich nehme an, dass d a s stückwerk sich als wahr erweist, das zum abgetan werden der stückwerke führt, zur, wie man es vielleicht nennen könnte, reintegration der unmittelbaren wahrnehmung des andern.