Multikulti – I love!
Mein Beitrag wurde angeregt durch den Blogbeitrag von Stephan Jütte. Danke vielmals!
Erinnert sich noch jemand mit mir? An die Schweiz der 60iger, 70iger Jahre? An Zürich? Die Agglo-Gemeinden? Da bin ich aufgewachsen. Der letzte ÖV fuhr vor Mitternacht, italienische MitbürgerInnen kamen wie vom Mond, das Strassenbild in Zürich gestaltete sich bedrückend homogen, Lasagne galt fast noch als Ethnofood, die soziale Kontrolle war enorm. Wenn ich auf dem Schulweg eine paffte, wusste Mami – natürlich zu Hause – schon mittags Bescheid. Familiäre Gewalt dafür wurde von der Polizei als „innereheliche“ Angelegenheit abgetan – kein Grund zum Ausrücken. Schwul, rebellisch, feministisch oder sonstwie anders war man besser nicht. Und die Kirche präsentierte sich – sorry – so behäbig, selbstgefällig und konform, dass ich lieber nicht mehr dran denke. Als Jugendliche dann zum ersten Mal in Paris und London zu sein, war Befreiung total für mich! In Zürich – no party! „Wo Berge sich erheben wie Bretter vor dem Kopf“, wie mein jugendliches Vorbild Niklaus Meienberg trefflich schrieb.
Doch Jugendunruhen, Migration, benachbarte EU, Computerisierung und Globalisierung machten auch vor dem drögen Zürich nicht halt. Heute schaut’s auf den Strassen anders aus, mit dem Dichtestress kann ich leben. Im Tram höre ich verschiedenste Sprachen, Internationales und Schweizerisches vermischen sich im Stadtbild prächtig. Die scheelen Blicke, mit welchen alles Auffällige (inkl. lautes Lachen in der Oeffentlichkeit) früher gleich bedacht wurde, sind verschwunden. Auch vereinzelte Burkas haben hier hoffentlich noch Platz. Leben und Arbeiten sind offener, flexibler, gestaltungsfähiger geworden. Nie im Leben würde ich in der Zeit zurückgehen wollen! Und für meine Kinder freue ich mich.
Die reformierte Kirche ist diesem Wandel auch unterworfen. Und ich stelle mit grosser Freude fest, dass sie ihn zunehmend als Chance begreift. Heute bemüht sie sich um ihre Mitglieder und um andere Menschen. Kinder- und Jugendarbeit wurden stark aufgewertet, ebenso Diakonie und Seelsorge. Oekumenischer und interreligiöser Dialog werden ernst genommen. Neue Gottesdienstformen und Rituale werden gesucht und geschaffen. Und auch die Kirchenfernen rücken vermehrt wertschätzend in den Fokus. Da bewegt sich was! Und das ist gut. Yes, we can! Gerade die Reformierte Kirche kann sich auf die Gesellschaft einlassen, ohne ihre Identität zu verlieren – im Gegenteil: Offen und kritisch. Das gerade ist eine Qualität von uns. Tragen wir das Unsere bei, vergessen wir nicht, worauf unsere Kirche letztlich gründet – dann sehe ich ganz hoffnungsvoll in die kirchliche Zukunft! Weiter so!
Peter D. Hofer-Ungricht
Gepostet um 11:55 Uhr, 10. OktoberDer Wandel berührt (bewegt) alle Glaubensgemeinschaften. Doch darf statistisch festgestellter Mitgliederschwund nicht dazu führen, Zirkuspferde zwischen Kanzel und Orgel auftreten zu lassen, um jeden Sitzplatz zu besetzen. Die Stärke des Christentums liegt darin, dass wir uns nicht scheuen sollten, die uns aufgetragenen zehn Gebote anwenden. Im Alltag. Gegenüber jedem/jeder mit Mut und ohne Vorbehalt hinsichtlich Art/Herkunft, Sprach- und Denkweise. Weil Liebe das einzige ist, das wächst, wenn man sie verschwendet.
Barbara Oberholzer
Gepostet um 21:12 Uhr, 10. OktoberMenschen in ihrer Eigenart aufmerksam zu begegnen, sich dafür zu interessieren, was sie bewegt und dies allenfalls auch liturgisch sorgfältig aufzunehmen – ist dies nicht auch ein Ausdruck von Liebe?