Vertrauensakt vor Glaubensinhalt

Zum Glück ist das Wort für Glaube in beiden Teilen der Bibel weit und breit. Etwas davon wussten auch die frühen Theologen, die in ihrer Gelehrtensprache die fides quae creditur von der fides qua creditur unterschieden und so in Beziehung bringen wollten. Sie stellten fest, dass es im Glauben nicht nur um die Glaubensinhalte geht sondern auch und hoffentlich immer auch um den Vertrauensakt. Das neutestamentliche Wort für Glaube spricht eine deutliche Sprache: „pisitis“ kann ebenso gut auch mit „vertrauen“ übersetzt werden.

Merkwürdig und auch bedenklich, dass heute viele beim Glauben vorrangig an das denken, was wir mit „glauben an“ wiedergeben. Inhalte sind aktuell hoch im Kurs. Und viele neigen auch dazu, Glaubende anderer Religionen an den Inhalten ihres Credos zu messen.

Dabei bleibt viel auf der Strecke. Hier bekommt mein Plädoyer für den Akt des Vertrauens Nahrung.

Wer vertraut hat immer ein Gegenüber. Ob vermutet, gedacht, erhofft, geglaubt oder physisch real, dieses Gegenüber ist lebendig, beweglich, dynamisch. Es kann darum auch nicht dingfest gemacht werden. Dafür ist es nicht starr oder fix, wie gewisse Glaubensgegenstände, die durch blosse Repetition zu festen Bekenntnissen erstarrt sind. Fürs Gottvertrauen, wie fürs Vertrauen, das sich Menschen entgegenbringen, ist diese Dynamik belebend. Ohne diese Beweglichkeit wird Glaube leblos. Es bleibt dann nur noch die Frage. Bist du gläubig oder nicht.

Darum interessiert mich viel mehr, wie Menschen vertrauen und glauben, wie ihnen das gelingt in einer Misstrauenskultur Vertrauen zu schenken und dieses Geschenk erleben und würdigen zu können.

Wenn die Menschwerdung Gottes im christlichen Glauben zum unbestrittenen Glaubensinhalt  geworden ist, dann müsste  doch gerade da dieses Geheimnis auch und erst recht im Lebensvollzug von Mensch zu Mensch erlebbar werden. Was nützt es, theologische Inhalte zu postulieren und hoch zu halten, wenn wir sie nicht in den manchmal banal erscheinenden zwischenmenschlichen Begegnungen erleben können; hineinkonjugieren in die Sprache des Alltags, übersetzen in die Umgangsformen der Gegenwart. Lebendig, dynamisch, offen und nicht fertig.

So sage ich, wenn mich jemand fragt, ob ich gläubig bin, gerne trotzig „nein“. Ich sage dem Fragenden, dass ich vertraue. Und damit bin ich nie fertig sondern immer wieder Anfänger. Und wenn dann für mein Gegenüber das Gespräch noch nicht fertig ist, dann sage ich auch gerne wie und worauf … und wo ich manchmal an Grenzen zu stossen meine.

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18 Kommentare
  • Anonymous
    Gepostet um 07:07 Uhr, 28. Oktober

    Wenn der Glaube eine Krankheit ist, dann trifft pisitis zu. Meint er aber tatsächlich Vertrauen, dann ist von pistis zu reden. Weniger ist eben manchmal mehr, auch wenn sich’s nur um ein i zu viel handelt.

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    • Esther Gisler Fischer
      Gepostet um 20:05 Uhr, 28. Oktober

      Ob Sie liebe/r Anonymous aus Ihrer Anonymität heraustreten können; -es wäre einfacher Ihnen auf diesem Blog zu begegnen, bzw. mein Vertrauen in Ihre Kommentare würde dadurch erheblich gestärkt. 😉

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  • Esther Gisler Fischer
    Gepostet um 20:03 Uhr, 28. Oktober

    “ …hineinkonjugieren in die Sprache des Alltags.“ Wunderschön; -danke für deses Plädoyer fürs Vetrauen! Sicher besser als sich gegenseitig irgendwelche Glaubensinhalte um die Ohren zu hauen …

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  • Georg Vsicher
    Gepostet um 22:55 Uhr, 28. Oktober

    Gut gesagt, Thomas Grossenbacher! In der Tat heisst Glauben Vertrauen. Glaubenssätze kommen aus der Sprache des Glauben, und die ist in der Substanz Sprache des Gebets: „lex credendi – lex orandi“ habe ich gelernt.
    (Karl Barth sprach von dem „schon phonetisch so hässlichen Reden von der fides qua und quae“, was in Barth’s berndeutsch gefärbten Vortragssprache besonders lustig klang.).
    Wichtig ist, dass wir als Predigerinnen und Prediger das beherzigen und überprüfen, ob wir in unsern Predigten Vertrauen aussprechen und begründet zusprechen, oder Lehrsätze über das richtige und gute Leben und Denken verkünden.

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    • Esther Gisler Fischer
      Gepostet um 11:21 Uhr, 30. Oktober

      Vertrauen worin? ist da meine Frage. SIcher nicht in einen „Deus ex Machina“, Für mich in die „Kraft der Beziehung“, wie sie von der amerikanischen feministischen Theologin Carter Heyward propagiert wurde. Oder mit den Worten des Berner Dichterpfarrers Kurt Marti: „Wunsch: Dass Gott ein Tätigkeitswort werde.“

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  • Barbara Oberholzer
    Gepostet um 09:46 Uhr, 29. Oktober

    Herzlichen Dank für die Anregung, Thomas Grossenbachers Worte vor allem aufs Predigen zu beziehen. Ich habe spontan an mein Alltagsverhalten dabei gedacht. Nicht Wasser predigen und selber Wein trinken oder so ähnlich. Gibts das auch in Latein? Einstehen für Vertrauen in Gott und in die Menschen, indem ich mich selbst um Vertrauens- und Glaubwürdigkeit bemühe.

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  • Barbara Oberholzer
    Gepostet um 09:56 Uhr, 29. Oktober

    Gibts nicht auf Latein! Ist von Heinrich Heine, „Deutschland – ein Wintermärchen“, 1844. ?

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  • Barbara Oberholzer
    Gepostet um 10:18 Uhr, 29. Oktober

    Nochmal zu oben: Oder „Durch mein Leben zu bezeugen“, wie es in unserem
    Zürcher Ordinationsgelübde heisst.
    So, jetzt ist aber Schluss für heute, wünsche allen ein schönes Wochenende!

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  • Felix Geering
    Gepostet um 12:27 Uhr, 29. Oktober

    Das Problem ist, dass die Kirche immer dann, wenn es um „Glauben“ ginge, von „Religion“ redet. Das ist aber etwas ganz Anderes. Religion heisst „zurückbinden“, Bremsen, Festnageln auf „das Gute, Anständige, Frieden Stiftende“. (Darum ging es auch als der Dalai Lama im Grossmünster war.)

    Nun ist aber Glaube nicht Religion, sondern Vertrauen in den Gott, der ums von Jesus als himmlischen Vater vor Augen gemalt wird, der uns über alles liebt und der unsere Unzulänglichkeiten verwandelt, wenn wir ihn lassen. Der prominenteste Auftrag der Kirche ist, die Menschen im Glauben anzuleiten.

    Genau das tut sie nicht. Es gibt zwar Religionsunterricht, aber keinen Glaubensunterricht. Der Begriff „Wachstum im Glauben“, der Paulus wichtig ist, kommt in der Kirchenordnung nicht vor, wenn mich nicht alles täuscht. Das ist symptomatisch für ein jahrhundertealtes, tief liegendes Missverständnis.

    Jesus zeigt uns den Vater im Himmel, dem wir vertrauen können. Der sperrige Vers aus Joh. 14,6 wird logisch und verständlich, wenn wir ihn auf „Vater“ (statt auf „niemand“) betonen: „Ich bin der Weg, die Wahrhwit und das Leben, niemand kommt ZUM VATER als durch mich.“

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    • Esther Gisler Fischer
      Gepostet um 11:18 Uhr, 30. Oktober

      Der Vater; -heute doch auch die Mutter! – ist nicht nur im Himmel, sondern auch auf Erden, wie wir es doch im Unser-Mutter/Vater beten. Die Botschaft von Jeschua ben Mirjam war keine auf das Jenseits gerichtete, sondern zutiefst diesseitig. Darum finde ich ja auch den Titel dieses Blog so toll!

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      • Felix Geering
        Gepostet um 14:23 Uhr, 30. Oktober

        Ich kann ja nichts dafür, dass in der Bibel halt „unser Vater im Himmel“ steht. Und die Form bezeichnet schön, was Gott für uns sein will. Natürlich ist er auch bei uns auf der Erde und natürlich ist die Mutter mitgemeint.

        Das ändert nichts daran, dass „Glauben“ meint, in Gemeinschaft mit dem göttlichen Du zu leben, das mir Vater und Mutter sein will. Im Gegensatz zu Religion, wo es reicht, sich „strebend zu bemühen“.

        Aber es macht die Sprache möglicherweise komplizierter als nötig. Darum nochmal ganz kurz und knackig: eben dies lerne ich bei Jesus, dass es auch ein Leben VOR dem Tod gibt.

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        • Esther Gisler Fischer
          Gepostet um 19:33 Uhr, 30. Oktober

          Mitgemeint zu sein als Frau ist Schnee von vorvorgestern!

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          • Felix Geering
            Gepostet um 21:34 Uhr, 30. Oktober

            Es geht hier um ein Thema, das ich mit „Glauben vs. Religion“ zusammenfasse, Sie machen daraus ein Genderthema, Statt etwas Substantielles beizutragen, ziehen Sie das Thema auf ein Nebengleis. Ich bin erschüttert. Ich hätte von einer studierten Pfarrerin mehr Fingerspitzengefühl erwartet.

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        • Esther Gisler Fischer
          Gepostet um 13:23 Uhr, 01. November

          Ich ziehe die Diskussion nicht auf eine Nebngleis werter Felix Geering: Sprache ist Ausdruck von Bewusstsein und prägt solches wiederum. Das Genderthema, wie sie es nennen (ich nenne es lieber die Frage nach Gottesbildern) gehört in den Kern einer Religion, Aber Sie schreiben ja vom Glauben …

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        • Esther Gisler Fischer
          Gepostet um 15:14 Uhr, 01. November

          Durchaus habe ich etwas Substantielles beigetragen: Die Frage nach den Gottesbildern gehört für mich dazu wie auch die diesseitige Botschaft Jesu: Letzteren Gedanken haben Sie bei mir abgekupfert!

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          • Felix Geering
            Gepostet um 09:34 Uhr, 02. November

            Ich hab’s nicht nötig, bei Ihnen abzukupfern. Ich bin reformiert; ich kann selber denken 😉

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  • Georg Vischer
    Gepostet um 23:01 Uhr, 29. Oktober

    Das Heine-Zitat, liebe Barbara Oberholzer, führt in eine etwas andere Richtung als der Beitrag Grossenbacher. Die Erinnerung daran lohnt aber immer:
    Deutschland Ein Wintermärchen, von Heine 1844 publiziert, bringt seinen Zorn und seine Trauer über die Unterdrückung der emanzipatorischen Impulse der französischen Revolution in seinem Vaterland aus. Zitat:

    Heine hört bei seiner Rückkehr nach Deutschland „ein kleines Harfenmädchen singen:
    „….
    Sie sang vom irdischen Jammertal,
    Von Freuden, die bald zerronnen,
    Vom Jeseits, wo die Seele schwelgt
    Verklärt in ewgen Wonnen.

    Sie sang das alte Entsagungslied,
    Das Eiapopeia vom Himmel,
    Womit man einlullt, wenn es grient,
    Das Volk, den grossen Lümmel.

    Ich kenne die Weise, ich kenne den Text,
    Ich kenn auch die Herren Verfasser;
    Ich weiss, sie tranken heimlich Wein
    Und predigten öffentlich Wasser….

    Dass wir, die wir den Glauben predigen, auf unsere persönliche Glaubwürdigkeit geprüft werden, ist das Eine.
    Das Andere aber ist, was Thomas Grossenbacher anspricht: Ob wir wirklich vom Glauben, nämlich von Treue und Vertrauen reden und die Sprache des Glaubens sprechen, deren Syntax, wie ich meinte anmerken zu müssen, im Gebet gründet.

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    • Esther Gisler Fischer
      Gepostet um 11:15 Uhr, 30. Oktober

      Ihr Kommentar auf Barbara Oberholzers hätte seinen Platz eigentlich unter der Rubrik „Antworten“ ihrem nachgeschaltet …

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