Herzhaft scheitern
„Nein! Komm, wir sind erwachsen, wir müssen das nicht tun.“ Vielleicht stimmt es, aber ganz sicher bin ich mir nicht. Ich wollte den Satz bloss mal ausprobieren und dann spüren, ob er sich richtig anhört. „Oke“, stöhnt meine Frau, kramt all den süssen Plunder im Einkaufswagen wieder zusammen und bepackt mich augenrollend mit den Spielsachen, die im Regal auf glücklichere Kinder warten dürfen.
Wir haben zwei Kinder. Adventskalendertechnisch nur eineinhalb, da unsere Tochter zur Hälfte der Zeit bei ihrem Vater wohnt. Letztes Jahr haben wir beiden Kindern je einen Päcklikalender geschenkt. Mit den Kalendern von den Grosseltern, Götti und Gotti (die jeweils beiden Kindern einen geschenkt haben) hatten unsere Kinder täglich vier freudige Überraschungen. Zwei am Morgen, zwei am Abend. Ausser unsere Tochter ist gerade von einer viertägigen Papa-Zeit zurückgekehrt: Sechzehn Überraschungen – alle am Abend und daneben ein weinender kleiner Bruder, der prima bei einer Studie zu frühkindlicher Winterdepression hätte mitmachen können.
Aber wir haben ein Herz und sind lernfähig: Sechzehn Päckli für das Töchterchen, ungefähr zehn für unseren Zweijährigen, der zehn von sechzehn nicht unterscheiden kann. Viele Päckli, keine Tränen! Bis an Weihnachten: Da waren sie dann sichtlich und hörbar enttäuscht, dass der grosse Tag nicht mit den vorangehenden Tagen mithalten kann.
Dieses Jahr machen wir es besser!
Das sollte uns dieses Jahr nicht mehr passieren. Es braucht Koordination im Vorfeld. Behutsame Nachforschungen haben ergeben, dass nur noch ein Götti einen Adventskalender plant. Für unseren Sohn. Die Grosseltern haben sich nach der Weihnachtsenttäuschung aus der Adventskalenderpatenschaft zurück gezogen. Überschaubar. Quantitativ mindestens. Aber ethisch? Die Lösung scheint auf der Hand zu liegen: Sohnemann erhält von uns keinen Kalender, Töchterchen schon, ergibt einen Kalender je Kind. Aber das stimmt nur innerhalb der eigenen vier Wände! Töchterchen hätte ja dann (inklusive Papa) zwei Adventskalender, Sohnemann bloss einen. Und wieder hätten wir eine prekäre Päckli-Kumulation an den Übergabetagen.
Unser erster Lösungsansatz bestand darin, den Kindern je einen Adventskalender zu schenken, der immer abends geöffnet wird und nur so viele Päckli hat, wie Abende, an denen sie bei uns sind. Wie Sie jetzt wissen, ist er an meinem launischen Satz gescheitert. Aber es ist ohnehin fragwürdig, ob unsere Tochter das distributive Gerechtigkeitskalkül dahinter verstanden hätte.
Der zweite Lösungsansatz stammte von meiner Frau, die sich nach dem Augenrollen schnell gefangen hat und unser Adventskalenderheil in einem fixfertigen Standartprodukt der Marke Playmobil vermutete. Töchterchen könnte diesen Kalender an den Übergabetagen nämlich bequem mitnehmen. Nun, ich mag Playmobil wirklich. Wir haben eine Ritterburg, ein Einkaufszentrum, eine Kita, einen Spielplatz, einen Drachenfelsen, eine Arche, ein Spielhaus und ein Piratenschiff. Und wir haben unzählige Figuren, Einzelteile wie Schwerter, Fackeln, Kleidungsstücke, Accessoires, Schuhe, kleine Tennisschläger. Ich habe gelegentlich Fantasien von mir und meinem Staubsauger im Kinderzimmer. Aber unsere Kinder scheinen kleine Savants zu sein, die sich an jedes dieser Teile erinnern und jedes ganz besonders lieben. Also, um Himmels Willen, nicht noch mehr davon!
Päckli ohne das Kind gemacht…
Wir haben dann eine irrsinnig teure Murmelbahn aus Holzwürfeln gekauft. Diese fünfzig Holzwürfel verteilten wir auf die ‚wir-sind-alle-zusammen-Tage‘ und haben sie liebevoll eingepackt. Das ist eine schöne Idee. Wir schenken etwas Nachhaltiges, etwas aus Holz, die Kinder lernen zu warten, können dann zusammen spielen, Weihnachten wird dieses Jahr keine Enttäuschung sondern der Tag der kompletten Murmel-Bahn. Der Verkäufer war begeistert von der Idee. Wahrscheinlich hat er keine Kinder. Und wahrscheinlich war er einfach erleichtert, dass er diese Bahn nicht in Geschenkpapier einwickeln musste. Kurzum: Kinder mögen Murmelbahnen. Aber nicht Holzwürfel. Und nicht warten. Und nicht teilen.
Aber wir haben ein Herz und sind lernfähig. Deshalb werde ich jetzt gleich Süssigkeiten einkaufen. Die packen wir dann ein und binden sie um die nachhaltigen, hochwertigen und pädagogisch wertvollen Holzwürfel.
Und nächstes Jahr fällt uns etwas Besseres ein. Ganz bestimmt. Und sonst haben wir immer noch ein Herz und bleiben lernfähig.
Barbara Oberholzer
Gepostet um 05:56 Uhr, 02. DezemberHoi Stephan! Es ist vorbildlich, wie in eurer Familie christliche Traditionen gepflegt werden, ich bin begeistert ?! Und es lohnt sich. Unser Töchterchen organisiert sich jedes Jahr noch mind. zwei Adventskalender für morgens und abends. Es wurde vor kurzem 20 Jahre alt ?. Scheuen wir keine Kosten, es lohnt sich! Da haben wir christlicherseits voll was drauf! ???
stephan jütte
Gepostet um 06:54 Uhr, 02. Dezemberdanke! das sehen unsere kinder wohl genau so ? ich selbst liebe päcklikalender sehr!
Felix Geering
Gepostet um 09:29 Uhr, 02. DezemberVom Bibellesebund gibt es spannende Adventskalender-Krimis von Harry Voss. Wir lesen die jeweils am gemeinsamen Znacht. Jeden Tag wird eine Seite an der Perforation geöffnet und ein Teil der Geschichte vorgelesen. Und immer wenn es spannend ist, ist – welch Zufall – die Doppelseite zu Ende… Dies ist ein Adventskalender für die ganze Familie, und nebenbei wird etwas Weihnachtliches an den Familientisch transportiert.
Catherine McMillan
Gepostet um 09:31 Uhr, 02. DezemberWir haben es immer so gemacht: Im Adventskalender waren neben einem Schokolädchen oder Zimtstern für jedes Kind (es waren je nachdem 2-4 Kinder) ein Zettel mit einer adventlichen Aktivität, die an dem Tag dran war: Sterne für die Fenster ausschneiden, Baum holen, Geschichte vorlesen, Adventsfenster besuchen, Geschenke einpacken, Die Kinder haben sich mehr über die Zettel als über die Süssigkeit gefreut. Und Zettel konnte man schnell austauschen, wenn etwas umgeplant werden musste – was in dieser hektischen Zeit oft vorkam. Aber die Zettel haben die Spannung erhöht bis Weihnachten. An Heiligabend wurde zwischen dem Familiengottesdienst und dem Vesper-Gottesdienst ein Geschenk je ausgepackt, damit sie überhaupt einschlafen konnten. Und nach der Mitternachtsmette kam Santa Claus und verwandelte das Wohnzimmer in ein Paradies. Am nächsten Morgen mussten die Kinder warten, bis wir soweit waren, dann gab es Weihnachten. Bescherung am Morgen wenn die Kinder frisch und munter sind (egal, dass ich kein bisschen geschlafen hatte) ist wirklich gut! Kann ich nur empfehlen. Aber natürlich ist das, was man selber in der Kindheit erlebte, das Richtige. 😉
stephan jütte
Gepostet um 13:44 Uhr, 02. Dezemberdas klingt echt gut! habt ihr das auch schon gemacht als die kinder noch nicht lesen konnten? werde mir das auf jeden fall merken fürs nächste jahr! merci!
angelawaeffler
Gepostet um 10:21 Uhr, 02. DezemberWie schön dieser Austausch über Erfahrungen und Ideen!… mich hat besonders jener Adventskalender vor Jahren berührt, als unsere Teenagertöchter den Spiess umkehrten, und uns Eltern einen Adventskalender schenkten. Es gibt so viele Arten, das ErWarten von Weihnachten zu verkürzen.
stephan jütte
Gepostet um 13:47 Uhr, 02. Dezemberboah! darauf lässt sich hoffen 😉
…ich mag nämlich sehr gerne adventskalender (nur falls (a) meine frau (b) meine eltern oder (c) meine bürokollegen mitlesen) 😉
Marianne Lauener-Rolli
Gepostet um 11:52 Uhr, 02. DezemberDanke für den herzerfrischenden Beitrag – das kommt mir doch alles sehr bekannt vor… Unsere „Mädchen“ (21 und 19 Jahre!) freuen sich immer noch über einen Adventskalender. Dieses Jahr haben wir als Familie zusätzlich eine Idee, die auf Facebook herumgeboten wurde aufgenommen: In der Stube steht ein grosser Korb. An jedem Tag gibt man nach einem festgelegten Fahrplan ein Geschenk hinein, das dann der Aktion „2 x Weihnachten“ übergeben wird. Sich freuen und Freude bereiten – Win-win-Situation sagt man dem, glaub‘ ich.
stephan jütte
Gepostet um 13:54 Uhr, 02. Dezemberdas ist eine feine idee! …und mehr spass als holzwürfel ein- und auspacken macht das allemal! 😉
Felix Geering
Gepostet um 12:00 Uhr, 02. DezemberAh, dieses noch: Im „Forum“ (katholisches Pfarreiblatt, Äquivalent zum reformiert.) weist Thomas Binotto mit gewohnt spitzer Feder darauf hin, dass in unserer Gesellschaft der Advent zum Event verkommen ist: Religionsfreiheit bedeutet frei von Religion; zelebriert wird nur mehr der Kommerz. (oder ist am Änd das die neue Religion?)
stephan jütte
Gepostet um 14:02 Uhr, 02. Dezemberich mag aber diesen kitsch, ich liebe den cocacola-weihnachtstruck, die geschmückten schaufenster vom loeb, lichterketten und das meiste andere was dazu gehört. warum soll das alles „nur“ kommerz sein? drückt sich nicht darin eine sehnsucht nach familie, ganzheit und geborgenheit aus?
Esther Gisler Fischer
Gepostet um 19:17 Uhr, 02. DezemberDer Markt mit seiner Wachstumslogik, welcher uns Menschen nurmehr als Konsument_innen sieht, ist ja schon längst die neue Religion, an der unsere Welt langsam aber sicher zugrunde geht! Wir kosnumieren in der Schweiz, als hätten wir 4! Erden zur Verfügung und nicht nur eine. Dies hat uns vorletzte Woche der Generaldirektor des „Club of Rome“, der seit 2008 in WIntehrtur domiziliert ist, an einem Pane an der ETH plastisch vor Augen geführt. (Sorry, dass ich hiermit ein wenig als Spassbremse agiere …)
Anita Ochsner
Gepostet um 16:34 Uhr, 02. DezemberSoooo schööön :- )))
Ist grad ein fröhliches kunterbuntes wunderbares herzerfreuendes Lese-Adventsfenster heute! nach der Arbeit.
… und ab an den Weihnachtsmarkt?! … ,- ))
herzlichst
Ruth Strässler
Gepostet um 22:09 Uhr, 03. DezemberIch habe dieses Jahr wieder allen den Sockenadventskalemder besorgt den einen für meinem 16- jährigem Sohn mit Lindorkugeln gefüllt und meiner Tochter Gutscheine für 1x Filmschauen schwimmen gehen zusammen Kuchen backen etc….die Socken können die Kinder dann das Jahr durch tragen und im neuen Advent gibt’s wieder 12 päärli neue Socken. Sieht auch noch lustig aus wenn im ganzen Haus Socken hängen
Und mir habe ich dieses Jahr einen Bieradventskalender geschenkt.
Catherine McMillan
Gepostet um 22:39 Uhr, 03. DezemberDie Socken (Strümpfe) finde ich toll. Als ich die Zettel machte, waren Bildchen drauf. Ich zeichne gern. Die Kinder mussten noch nicht lesen können.