Selig dösen

Ich sass letzthin in einer Kirche im Aargau und bin dort wohlig eingeschlafen. Der Pfarrer – er war katholisch – konnte nichts dafür. Oder nur indirekt. Und wenn ich das hier offenbare, dann um Himmels Willen nicht, um ihn damit blosszustellen. Im Gegenteil.

Ausserdem glaube ich nicht, dass es ihn kränken würde, wenn er davon wüsste. Denn so, wie dieser Gottesdienst angelegt war und wie er ihn mit uns gefeiert hat, muss das Wegdämmern zu den kalkulierten Risiken gehören: Start um 6 Uhr früh an einem stockdunklen und eisigen Dezembermorgen, ein Kirchenraum nur mit Kerzen ausgeleuchtet, viel Stille, wenige Worte (so weit ich mich erinnere), warme Töne aus einer Querflöte und von einem Klavier, die mich weit wegtrugen aus dem Kirchenraum … bis ein Hüsteln neben mir und raschelnde Liedblätter mich wieder sanft auf den Kirchenbank zurückholten.

„Rorate“ heisst die Feier. Sie findet im Advent statt, meist vier Mal werktags. Sie dauert kaum länger als eine halbe Stunde, ist dafür aber in aller Herrgottsfrühe angesetzt. Weit über tausend Jahre gibt es sie schon, und ihr seltsamer Name verweist auf die lateinische Zeile eines Adventslieds, das das „Tauen der Himmel“ besingt, damit die Hoffnung spriessen und wachsen kann. Bei den Katholiken gehört die Rorate-Feier bis heute zum gut gepflegten liturgischen Repertoire auf dem Weg durch die Dunkelheit des Advents. Dass ich sie kennenlernte, verdanke ich einem zarten Stupf meiner Frau und einem zäh errungenen Teilsieg gegen den inneren Morgenmuffel und die übermächtige Schwerkraft einer Bettdecke weit vor Sonnenaufgang.

Dass mich die Müdigkeit im Kirchenbank dann nochmals kurz übermannte, schmälerte das gute Gefühl nicht, das diese leise und poetische Andacht in mir hinterliess und mich einen ganzen Tag lang begleitete.

Wollen Sies auch mal wagen? Die katholische Pfarrei an Ihrem Ort hat die Feier sicher auch im Angebot. Oder Sie nehmen Platz zum ökumenischen Rorate-Gottesdienst in der Predigerkirche in der Zürcher Altstadt am 15. Dezember, oder in der reformierten Kirche Thalwil am 23. Dezember. Ich nehme an, man kann und darf auch dort ein wenig wegdösen.

Links zu Rorate-Gottesdiensten:


Rorate-Gottesdienst in der Predigerkirche am 15. Dezember um 6:15 Uhr
mit Meinrad Furrer, kath. Seelsorger und Jasmine Vollmer, Harfe
http://bit.ly/2hHw3Cb

Rorate-Gottesdienst in der Kirche Thalwil
am 18. Dezember um 6:00 Uhr (anschliessend Zmorge)
http://bit.ly/2hoo2m6

 

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3 Kommentare
  • Verena Salvisberg
    Gepostet um 11:41 Uhr, 13. Dezember

    Ergiesse dich, Himmel, von oben,
    und die Wolken sollen überfliessen vor Recht!
    Die Erde soll sich öffnen, damit sie Heil tragen als Frucht,
    und zugleich lasse sie Gerechtigkeit spriessen!
    Ich, der HERR, habe es erschaffen.
    Jes 45,8

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  • Verena Thalmann
    Gepostet um 21:11 Uhr, 13. Dezember

    Oh wie wohl es tut – solche Texte!
    Gut geschrieben, aus dem Alltag, nichts „Hochtrabendes“ mit Humor bestückt und dies alles in einer wohltuenden Verbundenheit zu Gott.
    …..das Bild des kleinen Engels hat das ganze noch liebevoll geschmückt. Danke!

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  • Anita Ochsner
    Gepostet um 08:39 Uhr, 14. Dezember

    Ja, gibt es auch bei uns. Die kath. Kirchgemeinde hier führt sie durch. Ich wusste nicht, schaute nach, grad am Dienstag war der letzte.
    von einem Rorate-Gottesdienst hörte ich noch nie, doch die morgendlichen Momente der Stille zu pflegen, in der Regel geschieht das alleine, und manchmal vermisse ich das mit Menschen zusammen. Die Vorstellung vor der Arbeit in der Adventszeit diesen zu Besuchen, das in den Alltag begleitet…, wäre sich/mich daran zu erinnern, nächstes Jahr
    ob katholisch oder reformiert… ? ;- ) Bei allen Spitzfindigkeiten? ,- )
    Auf jeden Fall, danke für diesen Beitrag.
    Und übrigens gleichfalls auf „boldern“ das ganze Jahr, findet jeden Mittwoch Morgen um 8.00 Uhr in der Oase eine kleine Lichtermeditation statt.
    Licht der Schöpfung, Licht der Gemeinschaft, Licht der Freiheit und das vierte Licht der schöpferischen Kraft, die uns gegeben ist.

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