Dienstleistung Kirche?
Die Personalfluktuaktion im Universitätsspital Zürich ist hoch. So alle drei Jahre hat sich die «Personalgemeinde» einer Station zu etwa dreiviertel erneuert. Und wir von der Seelsorge stellen in einer Teamsitzung der Pflege uns und unsere Arbeit neu vor. So stand dann kürzlich auch auf einer Traktandenliste: «1. Vorstellen Seelsorgedienst».
Seelsorgedienst, aha. Da schluckte ich dann erstmals leer. Seelsorgedienst? Aber hallo?! Wo blieb ich da als ordinierte Pfarrerin? Wo blieben da Amt, Zuordnung, prophetisches Wächteramt? Wo blieb da unser Stand, unsere nicht unbeträchtliche akademische und sonstige Ausbildung? Was würden meine KollegInnen aus den Gemeinden dazu sagen? Seelsorgedienst wie Hausdienst? Sollten wir nicht viel eher auch im Spital – wer sein? Was tun?
Wer unter euch gross sein will, sei euer Diener, und wer unter euch der Erste sein will, sei der Knecht aller» – so lese ich im Markusevangelium. Ou. Das ist jetzt blöd. Sollten wir denn tatsächlich dienen? Gerade mit den Gaben, die wir besitzen? Nicht unserer Institution zudienen – aber den Menschen dienen, die sich darin befinden?
Im Unispital der Seelsorgedienst, überhaupt ein Dienst zu sein, bedeutet: sich in einordnen können in ein grösseres Ganzes. Einordnen, nicht unterordnen. Einer von vielen Diensten sein, die existieren zur bestmöglichen Behandlung der PatientInnen. Mit dem Hausdienst, mit dem Sozialdienst, mit dem ärztlichen Dienst. Mit diesen andern Diensten wertschätzend zusammenzuarbeiten. Und am Schluss genau wie sie durch gute Arbeit zu überzeugen. Sich bemühen, kundenfreundlich zu sein, flexibel, zuvorkommend und zuverlässig. Engagiert und kompetent. Und – und da kommt vielleicht unsere besondere Eigenheit und Ausrichtung als «Seelsorgedienst» ins Spiel – uns vornehmlich am Wohl der Schwächeren zu orientieren, in der Regel der Patientinnen und Patienten. Manchmal auch gegen Routine und Interessen der Institution. Gerade unser Dienst ist dafür da, Menschen seelisch zu unterstützen, ihre Identität und Autonomie zu stärken. Vertrauenswürdig, unabhängig, verschwiegen zu sein.
Ist es so wirklich noch so schlimm, einfach zum «Seelsorgedienst» zu gehören? Er wird gemessen wie die andern Dienste auch: an der Qualität seiner Arbeit und der Glaubwürdigkeit seiner VertreterInnen. Er gehört dazu. Wir werden respektiert, wenn wir unsere Aufgabe ernst nehmen. Uns unsern Ort erarbeiten und andern ihren lassen. Dass wir von der Kirche angestellt sind, ist kein Hindernis, macht uns aber auch nicht zu etwas Besonderem. Wir müssen uns weder anbiedern noch dauernd behaupten. Nur dienen müssen wir – im Sinne von gut arbeiten. Nicht nur «ein Dienst sein», sondern auch «im Dienst sein», «Dienst haben» zusammen mit vielen andern schwingt da mit hinein. An uns liegt, was wir draus machen.
Bei allem – auch notwendigen! -Standesbewusstsein: Ist es nicht der Dienst an Gott und den Menschen, der im Pfarramt letztlich zählt? Der Wunsch, es gut zu machen an unserm Ort? Andern Menschen gegenüber hilfreich zu sein, mitzuwirken an ihrer Befreiung und Ermächtigung? Mit andern zusammenzuarbeiten? Dienen ist keine Schande. Teamfähigkeit auch nicht. Und ein Hauch Bescheidenheit kann überaus entlastend wirken. Könnte die Idee des Dienens nicht auch ein inspirierendes Korrektiv sein in den Wogen der Reform, die im ganzen Kanton hochgehen? Klar, es geht um unsere Sache, Aufgabe und Auftrag. Natürlich müssen wir mitreden, mitgestalten, dürfen nicht jede Veränderung vorbehaltlos akzeptieren. Doch was ist das Ziel? Wir stehen nicht nur im Amt, wir stehen auch im Dienst. An unsern Mitmenschen, an der Gemeinschaft. Wir dienen den Menschen im Namen dessen, der uns ausgesandt hat. Dieser Dienst muss weiterhin unter adäquaten Bedingungen und mit Freude möglich sein, damit stehen und fallen alle Reformen. Und auch ich lebe als Vertreterin des „Seelsorgedienstes» in einer grossen Institution damit eigentlich ganz selbstbewusst und gut.
Anonymous
Gepostet um 08:44 Uhr, 21. AprilSchon merkwürdig, wenn man als Pfarrerin Problem mit dem Begriff ‚Dienst‘ hat. Als normales Gemeindeglied finde ich es als Christin natürlich, aber auch immer wieder als Geschenk, wenn ich anderen dienen darf.
Verena Thalmann
Gepostet um 11:57 Uhr, 21. April…..ich glaube nicht, dass die Pfarrerin ein Problem mit dienen hat – dies lese ich auf jedenfall nicht in ihrem Text.
Das ist doch gut, wenn es für Sie ein Geschenk ist, anderen zu dienen.
Barbara Oberholzer
Gepostet um 09:58 Uhr, 21. AprilLiebe Frau Anonyma
Ganz so einfach scheint mir die Angelegenheit nicht. Unsere Kirche ist im Wandel, ob wir es wollen oder nicht. Es geht um die Suche neuer Identitäten, neuer Rollenbilder. Es geht auch um lernen voneinander, Kirche findet an unterschiedlichen Orten statt und hat viele Gesichter. In diesem Sinn ist mein Beitrag zu verstehen.. Herzliche Grüsse, Barbara Oberholzer
Verena Thalmann
Gepostet um 11:51 Uhr, 21. AprilGut geschrieben, persönlich und von Herzen. Das Wort Dienst von vielen Seiten „erneut“ betrachtet. Danke für diese Impulse!
Barbara Oberholzer
Gepostet um 13:45 Uhr, 21. AprilLiebe Frau Thalmann, ich danke Ihnen! Ich schätze Ihre Gedanken und Beobachtungen bei allen Beiträgen sehr. Lieber Gruss! ?
Verena Thalmann
Gepostet um 13:55 Uhr, 21. AprilVielen Dank 🙂 das freut mich!
Roland Portmann
Gepostet um 14:50 Uhr, 21. AprilLiebe Barbara
Danke für deinen Artikel: Es ist wahr, wir befinden uns im Umbruch und auch die Spitalseelsorge muss ihren Platz und ihre Rolle innerhalb der Kirche und der Gesellschaft überdenken und ggf. neu finden. Das darf im Diskurs um KirchgemeindePlus nicht vergessen gehen! Auch deine Überlegungen zum Dienen und zum „Dienst“ finde ich sehr inspirierend: Also bitte mehr davon!
Barbara Oberholzer
Gepostet um 15:50 Uhr, 21. AprilRoland! Schön von dir zu hören. Danke für dieses Feedback ?
Jacqueline Baumer
Gepostet um 20:50 Uhr, 23. AprilGuten Abend Frau Oberholzer,
Interdizipinäre Zusammenarbeit auf Augenhöhe als Dienstleistung an Menschen, die diese Zuwendung benötigen – oder eben sich einordnen in ein Team, bewusst Stellung nehmen, einen Dienst erbringen, zusammen gute Arbeit leisten. Ja, das ist heute mehr denn je gefragt. Danke für Ihre Ausführungen dazu, Es entspricht ganz meinem Selbstverständnis in meinen Aufgaben.
Was mich sehr erstaunt hat (notabende als Nicht-Theologin) ist der Wandel im Rollenbewusstsein, der ordinierten PfarrerInnen dazu scheinbar abverlangt wird: „Dienen ist keine Schande“, „Teamfähigkeit auch nicht“, Sie sprechen von einem „Hauch von Bescheidenheit“ – ich wünsche mir selbstbewusste Pfarrpersonen, die ihren ganz eigenen Beitrag klar und wertschätzend einbringen. Und wissen, dass sie ein wichtiger Teil des grösseren Ganzen sind, nicht über- und nicht untergeordnet. Einfach gleichwertig anders. Unabhängig von Ausbildungsniveau und Statusfragen.
freundliche Grüsse aus dem Bündnerland
Barbara Oberholzer
Gepostet um 21:02 Uhr, 23. AprilGuten Abend Frau Baumer
Danke für Ihren Kommentar! Vllt habe ich mich mit den zitierten Formulierungen etwas weit vorgewagt. Doch das traditionelle PfarrerInnenbild – Pfarrer mit Familie rund um die Uhr im Pfarrhaus als Leiter der Gemeinde – wankt, und eigentlich möchte ich zu mehr Selbstbewusstsein anregen, genau in dem Sinne, wie Sie es auch unterstützen. Schöner Abend, Barbara Oberholzer
Anita Ochsner
Gepostet um 08:41 Uhr, 24. AprilJa, der Bedeutung eines Wortes mal ganz nachzugehen, das finde ich jeweils auch lustig. Mir geht es manches Mal so beim Wort Hüte -Dienst. In der Pflege wird auch von Diensten gesprochen. Spätdienst, in die Nacht hinein. Hütedienst, vom Morgenfrüh über Mittag hinaus. Ich stellte mir schon vor wie es vielleicht gewesen sein mag, „die Kranken zu hüten“ ? Was hüten heisst…(165 Synonyme in 15 Gruppen) Die Erwartungen von Menschen die pflegerische Unterstützung brauchen und das Berufsbild der Pflege haben sich stark verändert. Krankenpflege wurde doch ursprünglich von Ordensschwestern / Nonnen durchgeführt. Ich denke gewisse Bezeichnungen zu den verschiedenen Tagesdiensten stammen wohl daher? Finde es gut, dass wir nicht von „Schicht“! sprechen.
Ein Dienst beziehe ich, für mein Verständnis immer auf Menschen. Und auch! hinter jedem „Dienst“ steht ein Mensch. Daher, dass sie sich alle drei Jahre auf den Abteilungen vorstellen, „müssen“, können! finde ich eine gute Sache. Zudem ist es ja auch so, dass Seelsorgende in einem Spital ihren Dienst nicht alleine Patienten/Patientinnen „zur Verfügung“ steht?! Sondern gleichsam auch dem Personal, Mitarbeitenden. Das finde ich ein wichtiger Aspekt, der nicht ausser Acht gelassen werden darf. Eine Vorstellung eines Dienstes ist doch auch immer, die Vorstellung der Person7nen die dahinter stehen. Denn ich möchte mich an einen Menschen wenden können, und dann der/die seinen/ihren Dienst gut macht. Bei dieser Vorstellung bietet sich doch eben diese Gelegenheit dazu, den Menschen mit seiner fachlichen Kompetenz in seinem Bereich und Menschlichkeit kennen zu lernen. Ich hoffe, bei dieser Vorstellung kommt auch das zum Zuge, dass Seelsorgende auch für Mitarbeitende da sind.
Das ist ja eine riesige „Gemeinde“. Ich glaube dass Seelsorgende in einem Spital viel dazu beitragen, dass Menschen sich ein Bild, vielleicht ein anderes Bild als das sie sich bisher von „Kirche“ gemacht haben, machen können. Ich meine ihre Tätigkeit führt über den Spitalbereich hinaus. Wenn ich schon Spitalgottesdienste besuchte, macht es mir diesen Eindruck. Ich meine Spital-Seelsorgende prägen viel mit in dieser Hinsicht! Seelsorgende und Pfarrpersonen in den Gemeinden brauchen viele Kompetenzen, erstmal einfach in gesunder „neugierig“ und mit Freude auf Menschen zu gehen können…
Einmal erlebte ich im Haus in dem ich arbeite, dass eine Bewohnerin auf den Besuch der Pfarrerin wartete, nicht wie abgemacht in der Wohnung, sondern sie war draussen im Garten. Die Pfarrerin kam, fand sie nicht vor und ist wieder gegangen. Das hat mich einerseits sehr geärgert, weil der Besuch bei der Bewohnerin nicht stattgefunden hat, weil ich sie nicht in die Wohnung begleitete.. davor, sonder dachte.. wir werden uns sehen … Dann aber auch, weil sich die Pfarrerin sich bei niemandem gemeldet, nachgefragt hatte. Sie selbst „im Dienst“ hier im Haus! hätte sich, trotz des Schildes „Besetzt“ beim „Pflegezimmer“ melden, anklopfen können, sie hätte sich bei anderem Personal „Diensten“ melden können, nachfragen..
Ich finde es einfach verdammt Schade, dass sie die Gelegenheiten sich selbst und ihren Dienst! vorzustellen nicht wahrgenommen hat. (Gerade hier in unserem Haus, sind diese Besuche nicht organisiert, gehören nicht zum „Standart“ des Hauses.). Aus „Bescheidenhheit“? sich niemandem „aufdrängen“, nicht stören, zu wollen… oder schlicht aus eigener Zeitnot (auch das ist glaube ich ganz oft der Fall)
doch ich meine einfach: Sind das nicht immer Gelegenheiten! die, ja bitte wie Sie hier sagen selbstbewusst, wahrgenommen werden können und sollen?
Und in aller Arbeit und Neustrukturierung, so viele Menschen sich bewegen dazu, „in allen Wogen“, wie immer mal wieder in diesem Block auch zu hören ist, hoffe ich für uns alle die Kirche wollen, und wünsche ich Euch, die Kirche verändern und darin arbeiten, dazu Freude. Grundsätzlich.
Wenn die Freude grundsätzlich nicht mehr da ist, geht nichts mehr. So denke ich aus meiner beruflichen Sicht, wenn wir nicht mit Freude unsere Dienste tun können, nebst allem Jammern über das Jammern, Ohnmächtig sein gegenüber Situationen, schimpfen und ärgern über Konzept und Leitbild… alles gibt es. Doch wir sind ein ganz kleines Haus. Doch dann geht gar nichts mehr, in unserer Arbeit. Daher wünsche ich Freude. Immer wieder, dass sie neu gefunden inspiriert angesteckt werden kann.
Barbara Oberholzer
Gepostet um 09:06 Uhr, 24. AprilGuten Morgen Frau Ochsner ☀️?
Danke für diesen für mich überaus anregenden und inspirierendan Kommentar! Das „Dienst“ immer ein Dienst an einem Menschen oder zumindest Lebewesen ist, gefällt mir sehr! Auch Ihr Hinweis, dass sich auch der Pflegeberuf gewandelt hat und weiter wandelt. Bestimmt waren da auch viele Ängste, aber auch Hoffnungen vorhanden. Dienst am Menschen von Menschen – das soll bleiben. Ich als Seelsorgerin bin zudem immer froh, wenn ich von andern Diensten Rückmeldungen erhalte, auch kritische. Dass PatientInnen „verpasst“ werden, kommt natürlich vor – doch man kann uns jederzeit zurückrufen ?! Eine ganz schöne Woche wünscht Ihnen Barbara Oberholzer
Anita Ochsner
Gepostet um 09:34 Uhr, 24. AprilLiebe Frau Oberholzer
Danke für Ihre anregende Antwort, das eine um „die Gelegenheit“ nochmals da anzubringen.. Klar habe ich zurückgerufen… 🙂
Patientinnen werden „verpasst“ geschieht auch uns… wir werden auch mal selbst „verpasst“ gehört auch ja zum Leben.
Noch zu „Kirche“ Natürlich sind auch die Glarnerkirchen im Wandel… Gerne möchte ich es hier gleichsam einbringen. Ich freue mich ganz einfach an diesem JA und wünsche es allen die darin unterwegs sind… 🙂
An Ostern wurde die „Generationenkirche“ offiziell eröffnet. Dazu hängt seit Palmsonntag an allen Kirchen ein „Ja-Banner“. Auf grünem Grund ein weisses „Ja“. Was es mit diesem Ja auf sich hat, wurde „Das Geheimnis“ am Osternachmittag festlich um und in der Stadtkirche gelüftet.. 🙂
Aus dem Flyer: „Das Geheimnis des Ja“
“ …..
Im Glauben an dieses Lebens-JA ist die Kirche entstanden. Die Christen dürfen auch heute noch an Gottes unbedingtes JA glauben. Sie sind aufgefordert, mit ihrem eigenen JA zu antworten: Ja zur Schöpfung, zum Leben, zum Mitmenschen, zu Christus, zu Gott.“
Auch Ihnen Frau Oberholze und allen eine ganz schöne Woche 🙂
herzlichst a.o.
Barbara Oberholzer
Gepostet um 09:42 Uhr, 24. AprilSuperidee, ein JA-Banner an jeder Glarner Kirche ?! Wär auch eine Idee für Zürich ….
Anita Ochsner
Gepostet um 10:00 Uhr, 24. AprilJA! … ,-) 🙂