Alternativen zum Bischofsamt

Immer mal wieder vernimmt man die Idee, dass es ein reformiertes Bischofsamt für die Schweiz brauche. Als Hauptgrund dafür wird oft argumentiert, dass Medien gerne einen einzelnen Ansprechpartner respektive eine einzelne Ansprechpartnerin hätten. Irgendeine profilierte, reformierte Persönlichkeit, welche als bekanntes Gesicht zu allerlei Themen reformiert Stellung beziehen könnte. Eine Bischöfin oder ein Bischof als Ansprechstelle für die schnellen Internetmedien.  Diese Argumentation lässt aber ausser Acht, dass wir dies mit dem SEK-Ratspräsidium ja eigentlich bereits haben. Wenn man nun aber der Meinung ist, dass dies nicht gut funktioniert, dann ist das Präsidium entweder zu wenig oder falsch profiliert, oder aber es versteckt sich dahinter irgendein verkappter Wunsch nach einem neuen Ehrentitel und der damit verbundenen kirchlichen Macht.

Ungelöst bleibt das Problem der geringen respektive teils schlechten medialen Berichterstattung auch nach der etwaigen Einführung eines Bischofsamts. Aber dazu gibt es eine einfache Lösung. Denn eine Alternative zum Bischofsamt, welche rasch für viel nationale Presse sorgen würde, finden wir sogar in der schweizerischen Kirchengeschichte. Einige mögen sich vielleicht noch an den Namen Paul Vogt erinnern.

Pfr. Dr. hc. Paul Vogt war während des Zweiten Weltkrieges und kurz danach der sogenannte schweizerische Flüchtlingspfarrer. Er betreute natürlich nicht die unzähligen Geflüchteten selbst, sondern repräsentierte und koordinierte im Auftrag des SEK, der Zürcher Landeskirche und des Schweizerischen kirchlichen Hilfskomitee für evangelische Flüchtlinge die unzähligen Flüchtlingsprojekte der kirchlichen Akteurinnen und Akteure. Paul Vogt war als kirchlicher Troubleshooter medial präsent und stand synonym für die Hilfe abertausender Schweizerinnen und Schweizer.

Stellen wir uns mal vor, wie die medialen Berichterstattungen in den letzten acht (!) Jahren verlaufen wären, wenn der SEK bereits zu Beginn des Arabischen Frühlings oder aber zu Beginn des syrischen Bürgerkrieges ein nationales Flüchtlingspfarramt geschaffen hätte. In mitten der Diskussionen über vermeintlich kriminelle Ausländer und einwandernde Massen, wäre da eine reformierte Flüchtlingspfarrerin als Fels in der Brandung. Sie hilft den Mitmenschen die «Flüchtlingsströme» in kleinere Rinnsale zu teilen, aus denen durch Integration wiederum neues Leben entstehen kann.

Neben dem Flüchtlingspfarramt wären aber auch andere nationale kirchliche Ämter denkbar. Mit ein wenig Bedenkzeit fallen einem wichtige Gesellschaftsbereiche ein:

  1. Die Jugendbeauftragte koordiniert die kirchliche Jugendarbeit und trägt zur Förderung der reformierten Kinder und Jugendlichen bei. Neben Kirchgemeinden, kirchlichen Privatschulen und Jugendverbänden vernetzt sie auch private und bundeseigene Institutionen.
  2. Die Zukunftspfarrerin prägt den Diskurs über Kirchen- und Gesellschaftsformen der Zukunft sowie deren Schlüsseltechnologien. Sie vernetzt Wissenschaft und Ethik mit Kirche und Politik trägt dazu bei, dass Veränderungen sozialverträglich, nachhaltig und gerecht verlaufen.
  3. Die Altersbeauftragte koordiniert die kirchlichen Aktivitäten im Hinblick auf die Überalterung der Gesellschaft. Sie trägt dazu bei, den Alltag sowie das Lebensende zu Hause und in Spitälern, Pflege- und Altersheimen zu gestalten, berät Kirchgemeinden und schafft Kontakte zu bestehenden Institutionen.

Wie wäre es mit einer Gleichstellungsbeauftragten oder einem Friedenspfarramt? Eine Missionsbeauftragte, eine Integrationsberaterin oder eine Kunstförderin?

Wenn man sich mal hinsetzt und ein wenig den Gedanken nachgeht, dann eröffnen sich einem plötzlich unzählige Felder, wo die reformierten Kirchen etwas zu sagen haben. Geben wir diesen Bereichen doch eine Stimme! Statt einem vermeintlichen, medial omnipräsenten Bischofsamt mit schlechter Presse, liessen sich so auf einfachste Weise kostengünstig nationale Multiplikatoren mit konkretem Nutzen einführen.

Paul Vogt steht heute auch synonym für den Mut der Reformierten in einer Zeit der grossen Veränderungen. Nutzen wir doch sein Vorbild und lassen wir mutig unsere nationalen Stimmen wieder erklingen.

Fühlen Sie sich doch bitte so frei und spinnen Sie den Gedanken in den Kommentarspalten weiter – wo soll der SEK neue mediale Präsenz schaffen?

Die Meinung des Autors in diesem Beitrag entspricht nicht in jedem Fall der Meinung der Landeskirche.

Blog abonnieren     Alle Beiträge ansehen    

Diesen Beitrag fand ich...
  • wichtig (28)
  • inspirierend (18)
  • fundiert (2)
  • frech (3)
  • berührend (3)
  • langweilig (3)
  • falsch (5)
  • schlecht (4)
  • lustig (2)
11 Kommentare
  • Rita Famos
    Gepostet um 07:11 Uhr, 21. September

    Genau, Das Profil und die Aufmerksamkeit entsteht durch Engagement, Exzellenz, Zivilcourage und nicht durch Ämter und Titel,

    5

    0
    Antworten
  • Barbara Oberholzer
    Gepostet um 07:24 Uhr, 21. September

    Ich glaub halt, solche Pfarrämter lassen sich nicht einfach „schaffen“ und haben dann die Ausstrahlung eines Paul Vogt. Paul Vogt war mit Ueberzeugung und Herzblut dabei, wie auch Ernst Sieber. Auftrag, Commitment und Persönlichkeit stimmten überein, Solche Leuchttürme sind selten und würden eine Beauftragung durch den SEK vllt auch dankend ablehnen.

    6

    0
    Antworten
    • Chrisotph Staub
      Gepostet um 10:19 Uhr, 21. September

      Sehr geehrte Frau Oberholzer, liebe Barbara
      Es freut mich, dass wir der gleichen Meinung sind, dass Auftrag, Commitment und Persönlichkeit stimmen müssen und dass solche Pfarrämter nicht einfach von Amtes wegen geschaffen werden können und dann funktionieren. Aber ich bin gleichwohl der Meinung, dass wir es x-fach probieren sollten! Es einfach jahrzehntelang zu unterlassen und zu jammern, dass wir nicht wahrgenommen werden, ist meiner Meinung nach die schlechtere Option.
      „Solche Leuchttürme sind selten und würden eine Beauftragung durch den SEK vllt auch dankend ablehnen.“, dieses Zitat repräsentiert leider wohl den dominierenden Blick auf den SEK und sollte uns eine Mahnung sein, wie dringend der SEK ein besseres Image braucht. Dass die *Leuchttürme* selten sind, bestätigt ja, dass es sie gibt. Wir sind zahlenmässig noch stark genug als Reformierte, sodass wir davon ausgehen können, dass wir potenzielle *Leuchttürme* in unseren Reihen haben. Wir brauchen nicht viele „Leuchttürme“, aber die welche wir brauchen, sollten wir auch suchen und ihr Licht nicht unter den Scheffel stehen lassen.
      Liebe Grüsse,
      Christoph Staub

      2

      0
      Antworten
  • Jürg Hürlimann
    Gepostet um 08:00 Uhr, 21. September

    Territorialprinzip!
    Ich zweifle, dass nationale Pfarr- und andere Ämter eine grosse praktische Ausstrahlung hätten. Die Kirchenpflege oder die Pfarrperson in der Gemeinde lässt sich schon von „Zürich“, der Landeskirche, nicht gerne in die Arbeit hineinreden, geschweige denn vom weit entfernten „Bern“, von der Bundeskirche. Und mancher Kirchenratspräsident findet es eine Zumutung, sich vom SEK „vorschreiben“ oder auch nur „empfehlen“ zu lassen, wie sich seine Kantonalkirche zu verhalten habe. Rasch kommt auch der Einwand der Bekenntnisfreiheit.
    Solange nicht so etwas wie ein schweizerischer reformierter Geist wirklich besteht, bleibt das Problem der von aussen und auch von den Medien wahrgenommenen Profillosigkeit aktuell.

    3

    1
    Antworten
    • Chrisotph Staub
      Gepostet um 10:40 Uhr, 21. September

      Sehr geehrter Herr Hürlimann
      Besten Dank für Ihre kritische Stellungnahme. Ich teile sie mehrheitlich nicht. Gleichwohl finde ich es gut, wenn wir darüber ins Gespräch kommen. Natürlich teile ich Ihre territorialen Beobachtungen und hätte selbst keine Freude an einer hierarchischen Kirche, welche überall „dreinreden“ will. Dennoch bin ich nicht bereit, dass Territorialprinzip absolut zu setzen. Es war in der Kirchengeschichte stets umstritten und wurde schon unterschiedlichst ausgelegt. Sicher ist die Subsidiarität eine grosse Stärke der Reformierten, sodass auf kleinster Stufe möglichst vor Ort gute Lösungen erarbeitet werden können. Diese müssen wir pflegen und weiterhin stärken, aber wir müssen uns bewusst sein, dass nationale Themen und Probleme auch mal nationale Lösungen erfordern und in nationalen Medien rezipiert werden. Dies lässt mein Vorschlag übrigens durchaus zu: Wenn zwei Kirchenratspräsidentinnen der Meinung sind, dass sie eine geeignete Kandidatin für ein nationales Amt haben, dann sollten sie diese dringendst dem SEK vorschlagen. Wie sonst soll der SEK zu guten Leuten kommen, wenn nicht durchs Zuhören und Vertrauen auf seine Mitglieder?
      Zum zweiten Punkt des fehlenden reformierten Geist, da werden wir wohl noch lange Warten müssen, wenn wir auf eine Einheit hoffen. Aber das müssen wir auch nicht, denn wir können unsere Dissonanzen auch als Stärke ausspielen, indem wir einander ernst nehmen und mutige Kompromisse wagen. Denn nur, wenn wir miteinander darum ringen, was „reformiert sein“ im 21. Jahrhundert heisst, dann werden gemeinsame Antworten finden.
      In diesem Sinne danke ich Ihnen nochmals für Ihren Kommentar!
      Liebe Grüsse,
      Christoph Staub

      1

      0
      Antworten
    • Corinne Duc
      Gepostet um 13:17 Uhr, 21. September

      Problem ist ja nicht, dass wir keine Einheitskultur haben. – Ganz im Gegenteil ist doch gerade die Vielfalt essenziell, und dass wir trotz aller Meinungsdifferenzen und Geschmacksunterschiede in Einzelheiten – oder vielleicht eben gerade auch deshalb, und weil wir dadurch angespornt werden (sollten!?) das offene Kommunizieren und Debattieren zu pflegen.
      Problem scheint in dieser Hinsicht vielmehr, dass die Vielfalt der Profile oft immer noch als „Profillosigkeit“ missverstanden wird. Wir sollten daher auf eine grössere Transparenz hin arbeiten, um den Eigenwert dieser Pluralität erkenntlicher zu machen. Ist es nicht auch gerade die besondere sprachliche und kulturelle Vielfalt der Schweiz – und wie diese seit Generationen gewaltlos, ja zum Vorteil aller, gepflegt wird – welche unsere nationale Besonderheit ausmacht?
      Mir scheint, dass dieses Bewusstsein, dass nicht ein einziger Wert hochzuhalten sei, sondern die Vielfalt von Wichtigkeiten und Bedeutsamkeiten immer wieder auf’s Neue zu reflektieren und in der konkreten Umsetzung in eine vernünftige Balance zu bringen ist, vermehrt zu fördern wäre.
      Eine exzellente Gelegenheit dafür hätte die Präambel zur neuen Verfassung für eine Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz (EKS) geboten. Und eigentlich wäre es ja noch nicht zu spät dazu: die Schlussabstimmung soll anlässlich der a.o. Abgeordnetenversammlung vom 18. Dezember 2018 in Bern erfolgen. Aber ob dieses Gremium sich nochmals durchringen könnte, anstelle der bisher entworfenen in (mit Ausnahme vielleicht einer Fussnote, die sich aber nur auf den deutschen Text bezieht) altertümlich anmutender Sprache verfassten Präambel – der Versuch, ein Einheitsbekenntnis vorzuspuren? – einen einladenden, die Pluralität der Evangelien wiederspiegelnden und frisch aufgemachten Text einzubringen, muss wohl als sehr fraglich gelten. Daher wird wohl parallel dazu ein weiteres Konsensdokument einzuführen sein, welches zu Gemeinsamkeit in der Vielfalt einlädt.

      3

      0
      Antworten
  • Anita Ochsner
    Gepostet um 10:14 Uhr, 21. September

    Lese grad aus dem Band I „Zweitausend Jahre Christentum“ Von der verfolgten Kirche bis zur Reformation, Vandenhoeck & Ruprecht, den Quellentext 9b von „Johannes Chrysostomos, Bischof von Konstantinopel (ungefähr 354 – 407), über die Lage der Kolonen“ S. 43
    „… bürden auf ihre Schultern mühsame Dienstleistungen (… ) legen sie fortwährend unerschwingliche Abgaben auf, (…) von ihren Arbeiten, von ihrem Schweisse füllt man Speicher und Keller, ohne sie auch nur ein weniges mit heimnehmen zu lassen; man heimst vielmehr die ganze Ernte in die eigenen Truhen und wirft jenen ein Spottgeld als Lohn dafür hin. Ja, man ersinnt sogar neue Arten von Zinsen, wie sie nicht einmal die heidnischen Gesetzte kennen, und schreibt Schuldbriefe, (… ) Nicht bloss den hundertsten Teil, sondern die Hälfte fordern sie, und zwar von Leuten die Weib und Kind zu nähren haben, die doch auch Menschen sind und die ihnen mit ihrer Hände Arbeit Speicher und Keller füllen.“
    Wie ist das in die heutige Zeit anzusehen? – Wenn man die Zeilen von heute im http://www.ref.ch liest über Versorgung im Alter …

    -Altersversorgung die Kürzungen betreffend, -dasselbe gilt für Menschen mit Behinderung,
    Wie kämpfen sie und oder ihre Angehörigen um z.B. Assistenzbeiträge damit sie, Betroffene, Wohnen Leben können nach ihren Bedürfnissen .. auch in Zukunft ohne die Unterstützung der Eltern versorgt sind, gut Leben können. Oft stehen sie vor einem kaum erklimmbaren Berg einer Bürokratie, die kaum zu bewältigen ist, oft juristischer Beistand dazu nötig wird, sofern man sich das leisten kann. Da kommen Angehörige sowie Betroffene in kräfteraubende Situationen, bis „an die Grenzen des Menschen möglichen“.
    Dahin fällt meine Stimme, Danke für diesen Beitrag!

    1

    0
    Antworten
    • Anita Ochsner
      Gepostet um 10:34 Uhr, 21. September

      es fehlen wohl zum Quellentext die Einleitenden Worte von eben Johannes Chrysostomos wie oben erwähnt: „Wenn man nämlich untersucht, wie die Grundbesitzer mit den armen und elenden Landleuten verfahren … “ Die Worte, dass etwas untersucht wird, jemand ein Auge darauf hält und eine Stimme … Daher noch diese Ergänzung.

      0

      0
      Antworten
  • michael vogt
    Gepostet um 18:39 Uhr, 21. September

    jean gebser sagt, dass die mutation vom rationalen zum arationalen, der freien beziehung zu rationalen und praerationalen inhalten, zum eigenen und zum andern, dazu führt, dass nicht einzelne personen, sondern gruppen repräsentativ sind. gottfried locher hat in seiner predigt an der versammlung der gemeinschaft evangelischer kirchen europas jesus als d e n friedensstifter dargestellt. ist er das wirklich? ginge es nicht um eine gruppe derer, die religionen und nicht-religionen begründeten und repräsentier(t)en? mir fehlt in punkt 2 der dogmatische aspekt, der von mir aus auch anders heissen könnte. die nacht erleuchtet die sterne und die sterne erleuchten wiederum die nacht. davon ist unsere planetin umgeben, darin ist sie begründet, daraus ist sie mitsamt aller lebewesen auf ihr und in ihr hervorgegangen. nicht e i n e person und nicht e i n e wissenschaft.

    1

    0
    Antworten
    • michael vogt
      Gepostet um 09:34 Uhr, 22. September

      umgeben und durchdrungen, muss es heissen

      1

      0
      Antworten
  • Esther Gisler Fischer
    Gepostet um 13:15 Uhr, 25. September

    Als Pfarrerin in Zürich-Seebach, wo Paul Vogt einst gewirkt hat, freue ich mich natürlich, dass sein Engagement Gegenstand eines Blogbeitrags ist und anregen soll, um profiliert, engagiert und mutig das Wächteramt der Kirche zu leben. Danke Herr Staub!

    3

    0
    Antworten

Kommentar abschicken