… und wir uns in ihnen!
Bip …. bip … bip … bip! „Es ist jetzt genau …“, so tönte es früher auf Radio Beromünster. Nach dem „Bip“ – das war noch nicht das Bruttoinlandprodukt, sondern dieses Zeitzeichen am Radio – folgten dann ohne Zeitverzögerung die Nachrichten. Diese heissen ja so, weil immer etwas nachgereicht, nachberichtet wird. Das, worum es geht, ist ja bereits geschehen und vorbei, wenn davon berichtet wird. Nachrichten so schnell sie auch dem Ereignis folgen, hinken immer der Zeit hinterher.
Längst vergangenen Zeiten? Auch heute, lässt sich die Zeit nicht überlisten. Sie war und ist ein „a priori“, so sagen es die Philosophen. Die Zeit ist ein „datum“, ein „Vor-Gegebenes“, das nicht beeinflusst werden kann.
An diesem Wochenende ist daran zu denken, auch im Hinblick auf die etwas voreilig angekündigte Änderung, die zweimal wiederkehrende Umstellung der Uhren in Europa und in der Schweiz bleiben zu lassen. Die Zeit kann man nicht umstellen. Wir können es zwar als Akt der als Selbsttäuschung mit dem Verstellen der Uhren versuchen, der Versuch oder die Versuchung dauern ja schon lange genug. Doch: ein Jahr bleibt ein Jahr. Nur, wir greifen auch da korrigierend ein, mit einem Schalttag alle 4 Jahre, weil unsere Jahresrechnung nicht richtig aufgeht. Der Sonne ist das egal. Wir drehen uns ja um sie. Das verdrängen wir Menschen bis heute, aller Aufklärung zum Trotz. Und wir tun so, als wäre es umgekehrt, als hätte die Sonne mit den Zeiten, wo wir ihr Licht zu Gesicht bekommen, sich um uns zu drehen, nach uns zu richten.
Nichts da! Jahre bleiben Jahre, Monate, Monate – wir haben sie auf Sonne und Mond bezogen nach Lust und Laune selber benannt. Gott schaut uns gemäss Genesis mit Neugierde und Freude zu, welche Namen uns zu seiner Schöpfung einfallen. Die Schöpfung ist seine Sache. Uns bleibt das Benennen. Und so reden wir von Wochen und Tagen, Stunden, Minuten und Sekunden und brechen die Zeit noch runter kleinste Teilzeiten. Wir tun so, als hätten wir dann mehr davon, je kleiner die Bruchteile sind. Was hilft uns diese Genauigkeit der Erbsenzähler wirklich? Mit Sommer- und Winterzeit – warum eigentlich keine Herbst- und Frühlingszeit? – spielen wir mit groben Stundenzugaben und -abzügen und jonglieren wie Primarschüler im kleinen Einmaleins.
Mehr oder weniger willkürlich haben wir uns auch auf 24 Stunden pro Tag geeinigt. Bis auf zwei Tage im Jahr, die mit einer Stunde mehr oder einer weniger auskommen müssen. Warum nicht das Dezimalsystem endlich einführen. Wäre damit etwas zu gewinnen? Ein Tag bleibt ein Tag.
Natürlich könnten wir auch unserer Phantasie freien Lauf lassen. Warum auch immer gleich. Abwechslung, „Dynamisch“ heisst das Zauberwort. Vielleicht so: am Montag 23 Stunden am Dienstag 25 und dann ganz kurze Tage … und natürlich am Sonntag ein ganz langer Tag. Oder wie wär‘s mit einem Schalttag gefolgt von einem kurzen Montag? Natürlich würde das zu Verschiebungen und Umstellungen führen. Mit genügend IT Knowhow wäre auch das heute bestimmt zu machen. Automatisch. Man müsste nur immer sauber kompensieren, um in der Zeit zu bleiben. Wenn es nicht aufgeht, könnten wir ja die Namensgebung der Tage entsprechend anpassen: Montag in Mondnacht umbenennen. Vorausgesetzt dieser Tag hätte im neuen Kalender seine Hauptzeit in der Nacht.
Kritiker wären schnell auf dem Plan. Warum sollte es ausgerechnet der Sonntag sein, der als längster Tag die Woche krönt? Müsste es nicht eher der Samstag sein oder der Freitag? Nicht alle feiern ja am gleichen Tag. Wer garantiert, dass er auch zum Festen da ist und als das erlebt wird? Vergessen wir nicht die, die nichts zu feiern haben. Wie lange soll auch gerade unter diesem Gesichtspunkt ein Tag überhaupt sein? Sie sehen, es wird schwierig. Dass es lange Nächte gibt, wissen nicht nur die Glück- oder Bierseligen, die die Nacht zum Tag machen. Von einer ganz anderen Seite kennen dieses Phänomen auch die Schlaflosen, die vor Sorgen und Schmerzen wach liegen und sich – sofern sie eines haben – im Bett wälzen und sehnlichst warten, bis es wieder tagt.
Ja vielleicht ist es doch besser das Rumschrauben an unseren Tageszeiten zu lassen. Eben, die Zeit ist ein „a priori“. Zum Glück.
Die Zeit ist etwas anderes, als die Zeiten, wie wir sie wahrnehmen, gestalten, nutzen, vertrödeln, erleben, geniessen, verfluchen oder mit Wehmut vergehen sehen. Was im Titel dieses Nachdenkens als Ankündigung zu lesen ist stimmt: „tempora mutantur, nos et mutamur in illis“: Die Zeiten ändern sich und wir uns in ihnen. Die Veränderungen in menschlichen Verhaltensweisen auf der Zeitachse „t“, sind etwas anderes als die Unveränderbarkeit der Zeit an sich.
Nichts gegen: „Von Zeit zu Zeit ‚was Neues“. Daraus entsteht Mode. Generationen geben sich dadurch Identität. Entsprechend gibt es Fortschritte und Rückschritte. Je nach Betrachtungsweise und Gusto, so oder so. Wenn ich denke, wie oft schon in meiner verhältnismässig kurzen Lebenszeit die Hosenbeine weit und eng geworden sind; auf Hochwasserniveau bis zu den Waden angestiegen und dann wieder auf den Schuhen aufgestanden oder gar auf dem Asphalt nachgezogen und aufgeschürft. Mit oder ohne Schlagband.
Und immer sind es Fortschritte und Rückschritte. Friedensabkommen, Klimaabkommen, die unter der einen Regierung geschlossen wurden und in der nächsten wieder aufgelöst werden. Alles scheint jederzeit und immer verhandelbar. Auch die Zeit. Ob wir jedoch wirklich so weit gehen sollten, als könnten wir uns die Zeit gefügig machen, das müssten wir uns auch in den besten Demokratien der Welt nochmals gründlich und sehr sorgfältig überlegen.
Nehmen wir uns darum die Zeit über die wesentlichen „a priori“ unseres Lebens nachzudenken. Zum Glück müssen wir sie uns nicht nehmen, sie ist uns ja – wie ausgeführt – gegeben. Just dieses Bewusstsein ist bestimmend.
Erfüllen wir die gegebenen Tag- und Nachtzeiten mit dem Sinn, den sie uns als Chance zuspielen. In den Morgen- und Abendliedern des evangelisch-reformierten Gesangbuches werden eindrückliche Denkmuster angeboten, wie mit dem a priori der Zeit Sinn und Gewinn mit ins Leben kommt. Zwischen den Nummern 555 und 623 schlummert ein Schatz von Liedern und Gebeten, die inspirierend wirken. Täglich 2x auf der geistigen Zunge zergehen lassen; vor dem Morgenessen und am Abend vor dem Zubettgehen. Entsprechend nimmt auch Jochen Klepper (1903-1942) in seinem Jahreswechsellied die Zeit und die Zeiten singend ins Gebet: „Der du die Zeit in Händen hast, Herr nimm auch dieses Jahres Last, und wandle sie in Segen.“
Die Meinung des Autors in diesem Beitrag entspricht nicht in jedem Fall der Meinung der Landeskirche. Blog abonnieren Alle Beiträge ansehen
Seraphim Weibel
Gepostet um 07:00 Uhr, 28. OktoberSinnloses bla bla. Danke fürs bemühen,aber ihre Talente liegen sicher woanders. Nutzen sie sie!
Und an die Redaktion: falls ihr Lücken zu füllen habt, schreibt das nächste mal die Sprüche auf Klotüren ab, die sind lustig!
Jürg Hürlimann
Gepostet um 07:34 Uhr, 28. OktoberMir hat der Beitrag von Thomas Grossenbacher gefallen…. ⏰
Reinhard Rolla
Gepostet um 08:14 Uhr, 28. OktoberHallo Seraphim, spricht da nicht der blosse NEID angesichts eines – in meinen Augen – nahezu genialen Textes? – Hallo Thomas: Ein neidloses KOMPLIMENT für diesen Text! Gruss Reinhard
Seraphim Weibel
Gepostet um 17:25 Uhr, 30. OktoberNahezu genial… wie gesagt auf Klotüren stehen sogar absolut geniale Sachen, das ist mein ernst. Mein Neid hält sich in grenzen, da meine Talente woanders liegen. Mein Neid gilt Ihnen, wie sie offentbar etwas relevantes finden konnten. Diese Heureka Erlebnis hätte ich wirklich gerne bei den Zeilen erlebt. So wende ich mich ganz bescheiden anderem zu. Schöne Abig
stephan jütte
Gepostet um 09:44 Uhr, 28. Oktoberach, herr weibel, wären sie bloss ein stündchen länger im bett geblieben und etwas fröhlicher aufgestanden… bestimmt bedauern sie mittlerweile selbst, sich so im ton vergriffen zu haben. trotzdem: das kann ein schöner sonntag werden und das wünsche ich ihnen.
michael vogt
Gepostet um 00:20 Uhr, 29. Oktoberkann man die zeit wirklich nicht überlisten? die mystik spricht vom nunc stans: das stehende jetzt, die zeit steht still. meditierende sprechen davon, dass eine stunde ihnen vorkommen kann wie eine minute. ist da nicht die apriorische durch die aposteriorische zeit überlistet worden? um diese notiz allen lesenden zu fuss zu überbringen, bräuchte ich sehr viel zeit. das internet reduziet sie fast auf null. diese durch autos, flugzeuge, lampen, internet (manchmal auch interfrech) etc erreichte zeitfreiheit, wie man das nennt, braucht energie und hat andere schwerwiegende folgen. um energie zu sparen, wurde die sommerzeit eingerichtet. die antwort auf diese zeitüberlistungsproblematik ist die überlistung der zeitüberlistung, die allerdings duch die rückkehr zur herkömmlichen mez noch nicht zu ihrem ziel gekommen wäre. unter zeit versteht man die bewegung von a nach b. je schneller die strecke von a nach b selbst sich bewegt, desto langsamer die bewegung von a nach b. desto länger, desto überlisteter die zeit. die eigentliche überlistung von raum und zeit ist die lichtgeschwindigkeit: da gibt weder raum noch zeit.
michael vogt
Gepostet um 00:37 Uhr, 29. Oktoberbetr „je schneller die strecke von a nach b selbst sich bewegt, desto langsamer die bewegung von a nach b“
https://www.google.ch/search?q=licht+uhr&tbm=isch&tbo=u&source=univ&sa=X&ved=2ahUKEwjJpNTEpareAhVB-qQKHc_PB1gQsAR6BAgGEAE&biw=1366&bih=695#imgrc=kYZNnT25vmZexM:
michael vogt
Gepostet um 05:23 Uhr, 29. Oktoberich glaube nicht, dass der mensch von sich aus etwas benennen kann, und andererseits glaube ich nicht, dass etwas ohne den menschen benannt wird
Marcus Degonda
Gepostet um 06:25 Uhr, 30. NovemberZeit gibt es nicht. Was wir als Zeit bezeichnen, ist bloss ein Massstab, der willkürliche Versuch, etwas, dass es nicht gibt, in ein Schema zu pressen, wo es nicht reinpasst. Wir versuchen, alles messbar zu machen. Siehe auch Gunther Duecks Omnimetrie. Wir benutzen Zeit, um Sachen zu vergleichen, die sich nicht vergleichen lassen. Vergleichen ist ist die Ursünde, Deswegen haben wir das Paradies verlassen und wollen unter allen Umständen draussen bleiben.
Zeit hat vor allem mit unserem individuellen Erleben zu tun. Mal vergeht sie schnell, mal langsam. Wie Augustinus sagt: in mir drin weiss ich, was sie ist, Wenn ich sie aber erklären soll, weiss ich es nicht.