Glaube ist kein Kartenhaus

Ein Schreckgespenst geht um in den Kirchen und Gemeinschaften der Rechtgläubigen! Die Dominotheorie des Glaubens. Damit wird verkannt, was Glaube ist und wie er im Leben von Menschen wirkt und wächst.

Prägende Figuren aus charismatisch-evangelikalen Bewegungen wie Joshua Harris oder Marty Sampson sind vom Glauben abgefallen. Andere, innerhalb dieser Bewegung als hoffnungsvolle Figuren geltende Leiter bezeichnen sich zwar weiter als Christen, haben aber in den Augen der Community jeden Anspruch auf orthodoxe Gültigkeit verloren. Und jüngst hat sich SEK-Ratspräsident Gottfried Locher – für evangelikale Christinnen und Christen bis dahin ein Hoffnungsschimmer in der verweltlicht-verdunkelten Landeskirche – positiv zur Ehe für alle geäussert.

Dominotheorie

Ein in Entweder-Oder-Optionen geübtes Denken kann diese „Zersetzungserscheinungen“ mühelos deuten. Das geht etwa so: Der Christliche Glaube beruht auf verschiedenen Kernelementen, welche den Glauben wie Säulen stützen und bilden. Reisst man eine davon ab, fällt über kurz oder lang der ganze Tempel zusammen. Voilà! Die Dominotheorie des Glaubens. Oder treffender: der Glaubenssätze.

Diese Betrachtungsweise ist aber aus mehreren Gründen irreführend und schädlich. Irreführend, weil das Wesen des Glaubens verkannt wird. Schädlich, weil sie persönlich-individuelle und kirchlich-soziale Spaltungen verursacht, die Kirche und Glauben dann tatsächlich zersetzen.

Irreführende Grundannahmen

Bilder sind stark. Und sie können uns leicht beeinflussen. Wer Glauben als ein durch Säulen gestütztes Gebäude versteht, hat ein starkes Bild im Portfolio. Aber das Bild ist jedenfalls kein Christliches. Christlicher Glaube ist nicht auf Säulen aufgebaut, sondern hat Christus als Fundament. Auf diesem Fundament wächst Gemeinschaft nicht durch das Anhaften an Glaubenswahrheiten, sondern durch den Heiligen Geist, der Menschen verbindet, verändert und befreit und ihnen so das Fundament in der eigenen Gemeinschaft und Biografie erlebbar macht.

Wer Glaube so denkt, kann zwar damit leben, dass der Kanon der biblischen Texte abgeschlossen ist. Aber nicht Gottes Wirken. Nicht Gottes Offenbarung. Und darum auch nicht unser eigener Lernprozess im Glauben. Wie Christinnen und Christen in ihrer Glaubensbiografie lernen, so lernt auch die Kirche. Es war ein Fehler, dass die Kirche gleichgeschlechtliche Liebe verteufelt, dass sie Andersgläubige vom Heil ausgeschlossen, göttliche Wahrheit auf die eigene Institution begrenzt und soziale Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern nicht nur übernommen, sondern aktiv weitergeführt hat. Und in all dem, muss Glaube nicht nur an Details arbeiten, sondern lernt jedes Mal etwas über Gott, die Schöpfung, Christus, die Bibel und den Geist, die Welt und die Kirche.

Schädliche Grundannahmen

Wer seinen Glauben auf Säulen abstützt, wer also meint, dass sein Verhältnis zu Gott von einzelnen Glaubenswahrheiten abhängt, macht Gott etwas kleiner, als er vielleicht sein sollte. Das ist der Lernschritt, der sich durch die Reformation durchgesetzt hat: Glaube ist Gottes Gnade, ein Geschenk ohne Voraussetzung. Und er steht sich selbst im Weg! Glaube entwickelt sich dort, wo ich zweifle, wo mein Konzept, meine Vorannahmen, meine Erwartungen nicht aufgehen. Wo ich neu denken, anders hoffen, fragen statt antworten muss. Und Glaube ist das Geschenk, dieses Suchen und Fragen als einen Weg zu verstehen, den Gott mit mir geht. Und mit seinen Kirchen. In verschiedenen Religionen.

Glaubenssätze – jeder Glaubenssatz! – sind Versuche, zu einer bestimmten Zeit das zu begreifen, was geglaubt wird. In den Bildern, Konzepten und mit dem Wissensstand der Gegenwart. Die Trinität ist ein Konstrukt, mit dem das Wirken und das Wesen Gottes zusammen gedacht werden soll. Wir würden es heute anders formulieren. Und wir würden wahrscheinlich etwas anderes dazu sagen. Glaubenssätze sind nicht heilig. Sie sind menschliche Versuche, auf das Heilige zu antworten. Heilig ist die Taufe. Heilig ist das Abendmahl. Weil, so hofft der Glaube, sich Gott darin dem Menschen gibt. Aber nicht nur darin! Heilig kann auch eine Beziehung, eine Musik, ein Essen oder ein Film sein. Heiliges ist immer offen für unsere Ergänzung, Antwort, Frage, Interpretation.

Aufgeben

Interessanter als zu fragen, ob diese oder jene Glaubensheldin, dieser oder jene Worshipleiter, Autorin oder Pastorin noch an Gott glaubt, ist die Frage, an welchen (!) Gott sie nicht mehr glauben muss. Und zu hoffen, dass sie diesen Glauben in einem grossen Vertrauen hat aufgeben können.

Denn erst wenn Gott das, was wir nicht glauben können, liebevoll in sich aufnehmen und bewahren kann, ist unser Glaube mehr als ein Kartenhaus.

Die Meinung des Autors in diesem Beitrag entspricht nicht in jedem Fall der Meinung der Landeskirche.

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32 Kommentare
  • Jürg Wildermuth
    Gepostet um 07:19 Uhr, 17. Oktober

    Amen! 😉

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  • Manuel Schmid
    Gepostet um 07:53 Uhr, 17. Oktober

    Danke Stephan – sehr schön! Von innerhalb der evangelikalen Szene hat Greg Boyd einen solchen „house of cards faith“ schon kritisiert. Vgl.
    https://whchurch.org/sermon/toppling-the-house-of-cards/#!

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    • michael vogt
      Gepostet um 21:23 Uhr, 19. Oktober

      er setzt aber alles auf e i n e karte, auf die er andere aufbaut. wie, wenn aber nun diese eine karte in frage gestellt ist? auch wieder ein kartenhaus, wenn auch ein besseres. das kartenhaus ist erst weg, wenn es zusammengefallen ist, wenn die unvollkommene erkenntnis abgetan ist. es gibt auch in der gegenwart die erfahrung, dass unser leben nicht mehr durch – meist wortbedingte oder auch kubistisch malerisch bestimmte – innerpsychische säulen gestützt ist, eine art – dem orgasmus vergleichbare – thermik, die nicht mehr auf eine karte setzt, schauen von angesicht zu angesicht, wie paulus seinem sekretär zutreffend diktiert, das keine stückwerkerkenntnis mehr braucht, und doch völlig menschenfreundlich bleibt.

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    • michael vogt
      Gepostet um 00:35 Uhr, 20. Oktober

      die karte wird erst zum fundament, wenn sie fällt. sie liegt aber wieder auf einem fundament, dem tisch. sein fundament ist der boden der wohnung, sein fundament die erde. da geschieht nun etwas interessantes: sie liegt nicht auf einem fundament. „er hat sie auf ihre pfeiler gegründet“, sagt ein psalm, und schafft damit vertrauen. ich würde eher sagen, sie hat ein rundumfundament, ihr verhältnis zu ihm erst noch das der nicht-zweiheit. erst das ist das fundament, das sich selbst fundament ist, das, um die unten aufgeworfene frage zu beantworten, sich sich selbst offenbart. wenn paulus sagt, niemand könne ein anderes fundament legen als das, welches gelegt ist, ist das – von ihm selbst so definiert – eine unvollkommene aussage. das fundament erweist sich als – wenn auch eine gute – karte. wenn wir uns von dem sich selbst fundament seienden fundament her, aus dem all, dem manche die buchstaben a und h anhängen – was die astrophysik zu recht als stückwerk qualifiziert – annähern, können wir uns noch einmal fragen, was es für andere, tausende kilometer von palästina entfernt bedeutet, wenn gesagt wird: nur dieses fundament ist es, kein anderes, was paulus, von seinem kontext her interpretiert, gar nicht sagen wollte. das sich selbst fundament seiende fundament ist das, was aus dem dialog der fundamente, aus ihrer verbindung zu einem, hervorgeht. stellt sich zum schluss nur noch die frage, ob unsere planetin auf ihrer reise durch ihr fundament, was auch heisst, auf ihrer fahrt durch sich selbst, neben den jasskarten noch ein landkarte braucht (auf der auch das fun_dament unserer spassgesellschaft verzeichnet ist) und eine fahrkarte, die auch als eintrittskarte für das in klammern erwähnte gilt.

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  • Roland Portmann
    Gepostet um 08:43 Uhr, 17. Oktober

    Super geschrieben… wie immer!
    Wie schaffst Du das bloss?
    Danke für deine Gedanken(anstösse)!

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    • stephan jütte
      Gepostet um 09:45 Uhr, 17. Oktober

      danke, lieber roland! das freut mich sehr ?

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  • Michel Müller
    Gepostet um 08:56 Uhr, 17. Oktober

    Danke. Ausser meiner Seele gesprochen äh geschrieben.

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  • Anonymous
    Gepostet um 10:59 Uhr, 17. Oktober

    Einfach nur DANKE:

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  • Hans-Peter Geiser ZH Pfarrer Dr. theol. M. Div.
    Gepostet um 16:09 Uhr, 17. Oktober

    Blacklisted Kommentar … ich bezweifle dass er die ZH Ref „im ZH Diesseits-ZENSUR“ (SJ, MM, BE … ) überlebt …

    Das Bild ist falsch – auch für USA oder Greg Boyd … (Manuel … HPG herausschneidend …)

    Glaube ist ein organisches GANZES ! … wo Herausgeschnittenes – etwa die fehlende Sozialethik in CH Kirchen – jedes Wort einer Theologie / eines Glaubens auch noch im SEK / FEPS / 2020 EKS oder Ref ZH H50 LEER macht …

    Paulus 1. Kor 12.

    Glaube ist komplexe BEZIEHUNG.

    Nicht nur in Worten, Konzepten und Bildern.

    Ein Netzwerk … Fehlendes killt sein LEBEN..

    Das „Bild Kartenhaus“ ist billige Ablenkung von längst vollzogener eigener „gläubiger bis a-gläubiger“ – ohne Nachfolgeethik Jesu CH – ENTLEERUNG.

    Stück um Stück jährlich CH eines säkularen Zeitalters (Charles Taylor) auch in CH Kirchen wo sich nichts mehr inhaltlich FÜLLT – real wie metaphorisch.

    Glaube ist MEHR als nur (gute/schlechte) „Karten“.

    VIEL MEHR.

    Ready for the DELETE (im DIESSEITS 2019).

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  • Carsten Ramsel
    Gepostet um 18:09 Uhr, 17. Oktober

    Mit Verlaub, Herr Dr. Geiser, es hätte mich schon sehr gewundert, wenn hier Kommentare zensiert würden. Und da ich in vielerlei Hinsicht nur ein Laie und Aussenstehender bin, fällt es mir schwer, Ihren Beitrag und damit verbunden Ihr Anliegen zu verstehen. Vielleicht lässt sich die Komplexität Ihrer theologischen Position nicht anders darstellen. Das weiss ich natürlich nicht. Mir würde das Verständnis allerdings erleichtert, wenn ich ganze Sätze läse, die aufeinander Bezug nähmen.

    Freundliche Grüsse,
    Carsten Ramsel

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    • Stephan Jütte
      Gepostet um 23:07 Uhr, 17. Oktober

      Lieber Carsten,
      Diesen Beitrag von Herrn Geiser habe ich gelöscht. Er hat darin eine Telefonnummer veröffentlicht. Lieber Gruss, Stephan

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      • Hans-Peter Geiser ZH Pfarrer, Dr. theol. M. Div.
        Gepostet um 23:38 Uhr, 17. Oktober

        In meinem Blog stand mehr als nur eine Tel Nummer … viel mehr.

        Auch ein Link zu Picassos Kubismus … und meinem Schreibstil … inmitten der Zensur.

        Es steht nirgends in den „VERTRAGSTEXTEN“ Diesseits, dass man keine Tel Nummer hinschreiben darf – zur Fortsetzung Gespräch in anderer Form.

        Bedenklich die Zensur in REF ZH.

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        • Hans-Peter Geiser ZH Pfarrer, Dr. theol. M. Div.
          Gepostet um 23:42 Uhr, 17. Oktober

          Link zu meinem kubistischen Schreibstil … inmitten einer wahrheitsverweigernden Zensur ZH REF CH.

          http://www.spanien-bilder.com/spanische_geschichte/pablo-picasso/pablo-picasso-kubismus.php

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          • Carsten Ramsel
            Gepostet um 18:35 Uhr, 18. Oktober

            Vielen Dank, Herr Dr. Geiser, für Ihr Bemühen etwas Licht in mein Dunkel zu bringen. Nun kenne ich viele Wahrheitstheorien, aber keine davon passt auf Ihren Anspruch („wahrheitsverweigernden Zensur“ (sic!)). Wenn ich unter Kubismus sowohl eine ästhetische Form als auch eine Art der Dekonstruktion verstehe, dann lässt sich darauf auch kein Wahrheitsanspruch gründen. Sowohl die ästhetische Form als auch ihr Inhalt bzw. die Darstellung verweist oder zeigt immer auf etwas, ohne es zu benennen. Es zeigt auf etwas, dass sich gerade der logischen oder empirischen Welten entzieht. Und der Dekonstruktivismus erhebt für sich den Anspruch, gewohnte Interpretationen oder Sichtweisen in Frage zu stellen und neu (bei geringerem Anspruch bloss anders) zu beschreiben, zu denken bzw. darzustellen.

            In den Texten Stephan Jüttes geschieht meines Erachtens (bitte korrigiere mich Stephan, falls ich mich hier irre) genau das. Sie (also die Texte) zeigen auf das, was sich seit über 200 Jahren begründeterweise logisch und empirisch entzieht, was sich aber ästhetisch darstellen lässt, auf das sich ästhetisch zeigen lässt. Er unternimmt den Versuch, gewohnte Pfade der Interpretation und der Betrachtung zu verlassen. Er schreibt buchstäblich gegen den Strich.

            Seine Texte haben allerdings zwei entscheidende Vorteile. 1. Sie sind intersubjektiv verstehbar, weil er sich einer gewohnten Sprache bedient. 2. Sie sind grundsätzlich einer Kritik zugänglich, weil er Alternativen gegeneinander abwägt und noch nicht Genanntes oder besser Gezeigtes ermöglicht.

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    • Hans-Peter Geiser ZH Pfarrer, Dr. theol. M. Div.
      Gepostet um 23:47 Uhr, 17. Oktober

      PS … ich mag Stephan Jütte – Diesseits Redaktor – sehr. Doch ich möchte nicht in seiner Haut stecken in diesem ZH REF und CH Krieg.

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    • Hans-Peter Geiser ZH Pfarrer, Dr. theol. M. Div.
      Gepostet um 00:21 Uhr, 21. Oktober

      Noch zur Nacht … dann schreibe ich wohl kaum mehr im ZH Diesseits … sinnlos.

      Danke Herr Ramsel für das gut gemeinte Engagement und den Versuch, mich und meine HARTE Sprache zu verstehen. Im Grunde ist längst hier alles gelaufen.

      Im Gegensatz zu Stephans (Jütte) Noch-Zuversicht – auch Ihre – auf eine „intersubjektive Welt“ (Habermas) des Glaubens, hab ich diesen Glauben längst verloren.

      Wo BEWUSSTE GEWALT in CH REF KIRCHEN nur noch als die EINZIGE Sprache sich durchzusetzen vermag, verstummt jeglicher Restglaube ans Intersubjektive.

      Da finde ich mich im Glauben seit Jahren viel näher an Johann Baptist Metz https://www.amazon.de/gp/product/3825824705/ref=dbs_a_def_rwt_bibl_vppi_i0

      Sprachlos seit Jahren … Und im DIESSEITS ist eh keine ECHTE christliche Intersubjektivität mehr möglich … ob der bewussten GATE KEEPING Gewalt im Rücken..

      Nicht Stephans Schuld. Das letzte Mal im Diesseits. Abschliessend 15 Jahre – 2004.

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  • michael vogt
    Gepostet um 23:27 Uhr, 17. Oktober

    1965 erschien das viel beachtete buch „the three pillars of zen“ (die drei pfeiler oder eben säulen des zen) von philip kapleau mit dem untertitel „lehre (leere als lehre und lehre als leere) – übung (eher streng) – erleuchtung („die grosse befreiung“, d. t. suzuki), dessen vielleicht vierte auflage ich etwas 1978 gelesen habe. „hast du etwas erreicht, musst du es ganz und gar vernichten“, „begnest du buddha, töte ihn!“ (nicht ein aufruf zum mord, sondern was?) zwei charakteristische worte (also nicht nur schweigen) aus dem zen-buddhismus, dem protest gegen „scholastische gebäude“ und „müssige gedankengänge“. interessant, dass aber auch dieses nichts säulen kennt. auch im beitrag säulen – die nicht jede*r teilen kann. eine pointierte aussage wäre: jesus starb als atheist. gott hat ihn velassen. am ende seines lebens nur noch eines. in meinem denken nur eine säule: offenbarung. und ich frage mich, ob auch diese noch zu fall kommen könnte. ein erstes offenbart sich einem zweiten. in gewisser weise noch zu viel. charakteristisch für zen ist neben dem ende von allem auch die loyalität, und dass diese auch eine kritische loyalität sein kann. meister yasutani fragt im genannten buch einen schüler, ob er die geschichte buddhas glaube. dieser verneint. „sehen Sie, wie schlecht es um Sie steht?!“ (zit adg) die antwort des meisters. yamada koun, der nachfolger yasutanis, sagt dann, es werde erzählt, buddha sei gleich nach seiner geburt sieben schritte gegangen und habe ausgerufen: „über dem himmel und unter dem himmel bin ich der allein geehrte!“ „ich bin auch einer, der das nicht glaubt“, fährt dieser nachfolger fort. buddha habe nach seiner geburt gestrampelt und geschrien, wie die neugeborenen das eben tun. so hat er buddha getötet, der darob neu geboren wurde. zen sagt auch: nicht gott oder nicht gott. und ebenso: nicht sex oder nicht sex. der zen-lehrer und später meister genro aus oesterreich sagte etwa 1980: ich frage nicht „warum hast du mich verlassen?“, sondern „warum habe ich dich verlassen?“ und das heisst wohl nicht nur: warum habe ich einen sündigen pfad beschritten? es wäre auch im gegebenen zusammenhang zu bdenken: was ihr verlassen habt, habt ihr hundertfach. der glaube kann ruhig ein kartenhaus sein: es fällt in sich zusammen und steht dann doch – mit ein paar fenstern mehr und weniger rauch aus dem kamin – wieder da.

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    • michael vogt
      Gepostet um 04:18 Uhr, 18. Oktober

      mumon sagt: „ich habe den deckel von meinem haupt genommen“, nämlich um diese koans zu kommentieren (in der von ihm zusammengestellten sammlung). worte führen offenbar in unserer psyche zur säulenbildung, die das heruntergekommene dach etwas anheben. der in sich gefangene kann sich so nach aussen wenden. kommunikations- und beziehungsfähigkeit. „die sprache ist das haus des seins“, sagt martin heidegger. nun gibt es aber auch ein zuviel davon. unser gebäude wird zu konstruiert. darum im zen der geist der nicht-behausung. „die grundlage des zen ist der buddhageist“ (mumon), die von ihm herangewehten worte, die dann ein haus konstituieren, in dem sich leben lässt. bekanntlich hat der sohn des menschen weder grube noch nest, sondern „nicht, wo er sein haupt hinlegte“, ist, mit heidegger gesagt, „unterwegs“. von einem kartenhaus zum andern – zum andern wandern – eine kontinuität, die die treue zu sich selbst und den andern gewährleistet.

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      • michael vogt
        Gepostet um 15:12 Uhr, 23. Oktober

        worte können angehobenes oder abgehobenes auch absenken

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  • Alpöhi
    Gepostet um 11:48 Uhr, 20. Oktober

    Schön geschrieben, Herr Jütte! Es klingt etwas in mir.

    Die Auseinandersetzung unter den Kommentierenden zeigt: Wir möchten das Unfassbare gerne fassen. Aber es will nicht recht gelingen. Das Unfassbare ist unfassbar, weil „unsere Hände zun klein sind.“ Ständig machen wir uns Bilder von Gott, kleben ihm/ihr „Schildchen“ an (1. Mose 2, 19b), und die Schildchen passen doch nicht wirklich. Gott ist immer noch grösser als unsere Schildchen.

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    • michael vogt
      Gepostet um 14:43 Uhr, 20. Oktober

      soweit sich aber das unfassbare fassbar macht, ist es fassbar

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    • michael vogt
      Gepostet um 19:23 Uhr, 21. Oktober

      man muss dabei sehen, dass gerade das deutsche wort gott, im vergleich zb zum germanisch god oder got die faszien stark aktiviert. das kann wahrheit sein. es kann aber auch sein, dass dieses wort bereits als solches zu früh und zu eng fasst. andere kommen dann instiktiv zum eindruck, dass da etwas nicht stimmen kann.

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    • michael vogt
      Gepostet um 19:42 Uhr, 21. Oktober

      man muss dabei sehen, dass gerade das deutsche wort gott, im vergleich zb zum germanischen god oder got, die faszien stark aktiviert. das kann wahrheit sein. es kann aber auch sein, dass dieses wort bereits als solches zu früh und zu eng fasst. andere kommen dann instiktiv zum eindruck, dass da etwas nicht stimmen kann.

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    • michael vogt
      Gepostet um 23:30 Uhr, 21. Oktober

      auch das wort gott ist eine etikette. muss nicht ein negativbegriff sein. ich trinke ja keinen wein, aber die etikette auf der flasche habe ich schon oft bewundert. und ich will auch nicht sagen, dass sie „nicht wirklich passt“. wenn wir „ich bin, wer ich bin“ als ganz ursprüngliches wort verstehen und es in einem noch älteren kontext interpretieren als exodus 3, dann beduetet es: manchmal gott und manchmal nicht. auch das wort gott ist eine karte, aus der wir zusammen mit andern karten ein haus bauen. es kann uns nichts besseres passieren, als dass dieses kartenhaus zusammenfällt. das ist die erfahrung der erleuchtung. die unmittelbare erfahrung dessen, was unsere karten, häuser, säulen und pfeiler zum ausdruck bringen wollten. das rechte verhältnis zur karte heisst also je nachdem auch mal karate. 😉

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      • michael vogt
        Gepostet um 00:07 Uhr, 22. Oktober

        was heisst nun „beduetet“? die beduinen sind nicht sesshaft, dh wir befinden uns auf einem weg im stückwerk und aus dem stückwerk heraus. die beduininnen tragen ihre krüge auf dem wirbel, dem somatischen korrelat des arationalen. die beduinen lieben die freiheit, die freie beziehung zu behausungen, die deren bedeutung nicht verkennt.

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  • Peter Bruderer
    Gepostet um 16:46 Uhr, 21. Oktober

    Schön Stephan, dass du dich mit den Fragen auseinandersetzt, die auch uns auf Daniel Option beschäftigen.

    Zum Schreckgespenst des Glaubensverlustes:
    https://danieloption.ch/weltanschauuung/atheismus/den-glauben-verlieren-teil-2-bart-campolos-de-konversion/

    Zum Themenbereich Kartenhaus:
    https://danieloption.ch/weltanschauuung/den-glauben-verlieren-teil-4-worauf-an-ankommt/

    Zum Themenbereich Säulen:
    https://danieloption.ch/weltanschauuung/das-spannungsfeld-von-toleranz-und-abgrenzung/

    Dürfen oder sollten wir deinen Artikel als Rückmeldung auf die Artikel verstehen, die wir in den vergangenen Wochen auf unserem Blog veröffentlicht haben?

    Es wäre spannend mal auch über deine eigenen Glaubens-Säulen auszutauschen, wie sie in deinem Text schön sichtbar werden, wie zum Beispiel der Heils-Universalismus (Andersgläubige dürfen nicht vom Heil ausgeschlossen werden) oder der Relativismus (Glaubenssätze sind per se irreführend, schädlich und spaltend) oder der von östlichen Religionen geprägte Non-Dualismus (nicht mehr glauben zu müssen als Gipfel des Göttlichen)

    Genauso wie wir ‚Säulenchristen‘, argumentierst du auf der Basis spezifischer weltanschaulicher Grundüberzeugungen. Ja, vieles in deinem Beitrag gleicht einem eigentlichen Glaubensbekenntnis. Vielleicht beschreibst du gerade deshalb andersweitige Argumentationen mit kraftvollen Adjektiven wie ‚irreführend‘, ’schädlich‘, ja gar ’spaltend‘.
    Gerne sind wir mit dir darüber im Gespräch und treffen uns auch auf ein Bier (in der Hinsicht gibt es glaube ich eine wichtige Überscheidung von ‚positiven Grundüberzeugungen‘) 🙂

    Herzlicher Gruss in Namen des Daniel-Option Teams

    Peti Bruderer

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    • Stephan Jütte
      Gepostet um 09:14 Uhr, 22. Oktober

      Lieber Peti,
      Ich habe meinen Beitrag nicht direkt als Antwort auf eure Blogs geschrieben. Besonders euer Gespräch mit Dino&Stego hatte ich aber im Kopf.
      Auf ein Bier mit dir freue ich mich! Herzlicher Gruss!
      Stephan

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    • michael vogt
      Gepostet um 22:27 Uhr, 22. Oktober

      dem team zum bedenken: panta en pasin und soma pneumatikon (1kor 15.28 und 44) – hat da nicht bereits paulus zwei säulen verlassen, ohne gleich „pantheistischer naturalist“ oder was immer zu werden? 😉

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    • michael vogt
      Gepostet um 19:45 Uhr, 23. Oktober

      Ihr bleibt immer in e i n e m stückwerk. da fragt es sich, ob Ihr die schrift so als autorität anerkennt, die sich als stück eines ganzen versteht, mit den drei worten „alles in allem“ gewissermassen aus sich heraus geht, sich selbst verlässt in der verheissung, dass sie sich so verhundertfacht. die säulen sind tatsächlich vernetzt – nur, finde ich, müsstet ihr dann a l l e berüchsichtigen, und euch eben insbesondere mit 1kor 13,9-12 und 15.28 auseinandersetzen. das universum, die moderne erscheinungsform des einen, sich selbst ursprung, das als solcher gott genannt werden kann und als entsprungenes schöpfung, ist, wenn wir gerade auf einer angenehmen wanderung sind mit picnic und vielleicht – für euch, für mich weniger – picbier, einem gütigen vater vergleichbar, der weiss, wes wir bedürfen. kommt aber ein unwetter auf, ist dieser vater offenbar in zorn entbrannt. verlieren wir durch blitzschlag eine geliebte person, spricht vielleicht das von euch zietierte wort zu uns: „mit wem wollt ihr mich vergleichen?“ also nicht mit einem sadisten. andererseits spricht die im schöpfungsbericht aufgeführte ähnlichkeit von vergleichbarkeit. nicht nur gegenüber dem universum, sondern auch gegenüber gott geraten wir da in eine – meines erachtens nicht bleibende – aporie. das universum ist jedenfalls auch einer radikalen autorität vergleichbar, die uns gerade jetzt (genauer gesagt, schon lange) in unserer klimaaporie begegnet. „die furcht gottes ist der anfang aller weisheit“ gilt auch hier, als furcht und respekt gegenüber – und ich will ja nicht sagen, dass das nun der begriff aller begriffe sei – dem universum. man könnte sagen, dass wir heute, was die früher gott nannten, universum nennen – was nicht ohne weiteres, das ich an dieser stelle nicht alles darstellen will, aufgeht. die rede vom einen ist meines erachten nicht monismus, sondern das zusammenfallen der gegensätze von monismus und dualismus, was sich zb in der paradoxie zeigt: das unterschiedslose eine ist vollkommen ausdifferenziert.

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