Bezahlte Freiwillige

An Pfingsten wollte ich mit meinen Kindern einen Gottesdienst besuchen. „Mit Kinderhüte“, stand in der Agenda unserer Quartierkirche. Als wir ankamen, waren allerdings weder andere Kinder noch eine Hüteperson zugegen. „Die Mädchen kommen immer etwas knapp“, erklärte die Pfarrerin. Am Ende des Gottesdienstes waren sie immer noch nicht aufgetaucht. Mein 3-Jähriger spielte eine Stunde lang allein im Keller. „Das geht natürlich nicht“, entschuldigte sich die Pfarrerin. „Die Mädchen werden immerhin bezahlt für ihren Einsatz!“

Genau darin bestand wohl das Problem. Im Rahmen meiner Tätigkeit habe ich inzwischen rund fünfzig Kirchgemeinden mit einer Nach-Konf-Arbeit besucht. Und Jugendliche für ihr Engagement zu bezahlen, gehört in keiner davon zum Erfolgsrezept. „Unsere Jugendlichen freuen sich, wenn sie als Helfer im Konflager dabei sein dürfen und nichts dafür bezahlen müssen“, erzählt mir ein Jugendarbeiter, in dessen Gemeinde sich besonders viele freiwillig engagieren. „Sie kämen nie auf die Idee, Geld zu verlangen.“

Es mag einfacher und sogar fair erscheinen, ehemaligen Konfirmandinnen zehn Franken für einen Einsatz in der Hüte anzubieten. Aber es ist weder einfach noch fair. Sind denn zehn Franken für die Kinderhüte oder hundert Franken für die Mithilfe in einem Lager ein fairer Lohn? Bleibt da nicht vielmehr das Gefühl zurück, zu wenig zu bekommen? Meine Beobachtung ist es, dass sich engagierte, begabte Jugendliche eher gewinnen als bestechen lassen – gewinnen mit Wertschätzung, Freiraum und Möglichkeit zur Partizipation.

Immer wieder höre ich von Jugendarbeiterinnen mit Teilzeitpensum, sie könnten es sich zeitlich nicht leisten, im Konfirmandenunterricht präsent zu sein. Es sei aber schwierig, die Jugendlichen für Angebote und Einsätze nach der Konfirmation zu gewinnen, wenn vorher keine Beziehung aufgebaut worden sei. Wie dieses Problem gelöst werden kann, zeigen andere Gemeinden: Dort, wo ältere Jugendliche im Kinderprogramm, im Konfirmandenunterricht und in Konflagern mitwirken, wird eine natürliche Beziehungsbrücke gebaut und junge Talente werden nachgezogen.

Und wenn sich diese jungen Talente freiwillig engagieren, dann ist ihr Herz mit dabei. Und ihr Engagement wird sehr viel mehr wert sein als ein Zehnernötli.

 

Die Meinung der Autorin in diesem Beitrag entspricht nicht in jedem Fall der Meinung der Landeskirche.

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8 Kommentare
  • Samuel Burger
    Gepostet um 09:47 Uhr, 14. August

    Das ist genau so. Aber diese Freiwilligen zu motivieren, zu pflegen und wertschätzen, ist ein Haufen Arbeit. Und daran scheitert es dann wohl. Das Zehnernötli gibt weniger zu tun…

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    • Christian Gerber
      Gepostet um 11:37 Uhr, 14. August

      Und den Haufen Arbeit erledigen oft Angestellte mit einem Lohn. Diese und ihre Vorgesetzten rechnen und kommen zum Ergebnis, dass sich die Freiwilligen-Pflege nicht rentiert. Das ist die grosse Problematik vieler Institutionen, die mit Freiwilligen arbeiten. Also sollte für das Anheuern, Motivieren und Pflegen der Freiwilligen wiederum ein Freiwilliger, eine Freiwillige eingesetzt werden. Gefahr dabei ist, dass sich Freiwilligenarbeit und Arbeit der Profis derselben Institution auseinander leben. Profis grenzen sich zu stark ab, was ich einesteils verstehen kann. Vielleicht stellen sie ihre soziale Zeit anderswo zur Verfügung. Aber solches reitet in einer Institution historisch Gewachsenes zu Boden.
      Christian Gerber

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  • angelawaeffler
    Gepostet um 09:53 Uhr, 14. August

    Mir ganz aus dem Herzen gesprochen! Vielen Dank!
    übrigens stelle ich mir die selbe Frage auch für den Einsatz freiwilliger Erwachsener…
    und oft habe ich selbst lieber auf ein beleidigend tiefes Honorar für eine Veranstaltung verzichtet und innerlich und äusserlich als freiwillig deklariert,
    als mit dem schalen Gefühl zu gehen, meine Arbeit sei eigentlich nicht gewürdigt worden.
    Lebt Kirche nicht genau von dem Engagement des Herzens?

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  • Jürgen Terdenge
    Gepostet um 15:48 Uhr, 14. August

    … also bei uns freuen such die freiwilligen Jugendlichen/jungen Erwachsenen über die 200 Franken, die sie für eine Woche Sommerlager bekommen. Aber an erster Stelle steht dieses Sümmchen nicht. Selbstverständlich wird ihre Arbeit auch sonst gewürdigt und geschätzt. Ganz so schwarz-weiss, wie im Blog beschrieben ist das meiner Meinung nach nicht.

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  • Ruth Floeder-Bühler
    Gepostet um 17:03 Uhr, 14. August

    Sara Stöcklin nimmt sich heraus zu wissen, wie andere Menschen sind, ohne sie zu fragen. Kennen wir doch vom Obertwitterer aus Washington!!!! Das strotzt nur so von Selbstgerechtigkeit und Vorurteil. Ich sage ja: Feedback ist in erster Linie Eigengoal https://www.diesseits.ch/feedback-als-eigegoal-2/
    Man merkt sofort, ob jemand nur aus der Vorurteilsebene kommuniziert oder ob eine Person fähig und willens ist, eine andere Perspektive einzunehmen. Was Freiwilligenarbeit aus edlen (oder herablassenden?) Motiven betrifft: Diese muss man sich leisten können, ist also gut für Wohlhabende. Der Ablasshandel, wogegen Martin Luther wetterte, lässt grüssen.
    Menschen, die in der Schweiz von der Armut bedroht sind, weil sie auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert werden (Alter/Aussteuerung/Zwangspensionierung, Geschlecht, Herkunft/kein Migrationshintergrund, Lebensform usw. – siehe Artikel 8 der Bundesverfassung) können nicht Gratisarbeit leisten, wäre ihre Motivation noch so hoch und edel. Für diese Menschen ist der Begriff der Frei-Willigkeit nichts anderes als eine Verhöhnung, weil dahinter Ausbeutung steckt.
    Gratisarbeit wäre ehrlicher. Arbeit hat nun mal in unserer Gesellschaft beide Funktionen: LEBENSGESTALTUNG und LEBENSUNTERHALT. Dem sollte die Kirche auch endlich Rechnung tragen und einfach einmal den MENSCHEN wertschätzen und ihn fragen, was ihn bewegt – das wäre SEELSORGE!

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    • Anonymous
      Gepostet um 06:48 Uhr, 15. August

      Liebe Frau Floeder-Bühler
      Ich habe von meinen persönlichen Erfahrungen berichtet. Bei diesen ging es um das Freiwilligenengagement von Jugendlichen und nicht um die Personengruppen, von denen Sie sprechen. Schreiben Sie hierzu doch einen eigenen Beitrag!
      Herzliche Grüsse
      Sara Stöcklin

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      • Ruth Floeder-Bühler
        Gepostet um 11:08 Uhr, 18. August

        Sind Jugendlichi öppe kä Mänsche?

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    • Marcus Degonda
      Gepostet um 11:35 Uhr, 15. August

      Liebe Ruth,
      da muss ich Dir Recht geben. Ich als „Profi“ (Sigrist) habe auch aus freiem Willen entschieden, diese bezahlte Arbeit zu machen. Darum fühle ich mich manchmal den „richtigen“ Freiwilligen gegenüber nicht so gut.
      Abgesehen davon stellen die Freiwilligen für uns Bezahlte auch eine Konkurrenz dar. Unser Lohn (und unsere Stelle) ist in unserer ökonomisierten Kirche davon abhängig, ob es jemanden gibt, der die Arbeit billiger macht. Und da kommen die Freiwilligen für wirtschaftlich denkende Kirchenleitungen sehr recht. Und solche Leitungen gibt es leider einige. Ihre Wert-Schätzung ist dann eben auch vom Geld-Wert abhängig und entsprechend denken sie über Freiwillige (das ist eine subjektive Ein-Schätzung dieser Leitungspersonen meinerseits und ich hoffe, ich irre mich).

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