#FEMALE PLEASURE kirchlich gedeutet

Das ‚Chlaus-Weekend‘ der Pfadi, an welchem unser Sohn vergangenes Wochenende teilgenommen hat, bescherte unserem Mann und mir zwei ’sturmfreie Tage‘ welche wir u.a. mit dem gemeinsamen Besuch des Dokumentarfilms #FEMALE PLEASURE füllten. Vieles, was darin vorkam, war jedoch eher ‚unpleasant‘; auch die eingeblendeten, misogynen Stellen aus den Heiligen Texten von Religionen wie Hinduismus, Buddhismus, Judentum, Islam und Christentum gaben Anlass zu Widerspruch und waren und sind für Frauen und ihr Begehren negativ in ihrer Wirkungsgeschichte.

Da fragte ich mich unwillkürlich, wie es um die Sexualmoral in unserer Kirche bestellt ist: In unserer reformierten Kirche und Tradition kennen wir kein Lehramt, welches uns auf Glaubenssätze verpflichtet. Und was sagt die Bibel zu dem Verhältnis der Geschlechter zueinander? Aktuelle Themen wie die ‚Ehe für alle‘, #MeToo und Prostitution, in denen die Sexualität mit ihren schönen aber auch mit ihren schlimmen Seiten eine Rolle spielt, fordern auch unsere Kirche auf, sich mit dem Thema Sexualität auseinanderzusetzen. Dem stellte sich die Frauenkonferenz des SEK am 23. Oktober in Bern, wo unter dem Titel „Sexualität zwischen Sünde und siebtem Himmel – Perspektiven einer evangelischen Sexualethik“ debattiert und diskutiert wurde.

Die Sexualität ist eine von Gottes schönsten Gaben. Sie kann aber auch Ort sein, wo Macht ausgenutzt wird und Verletzungen stattfinden. In der christlichen Tradition wurde sie lange Zeit mit Sünde gleichgesetzt und meist in enge Schranken verwiesen. Selten wurde sie als positive, lebensförderliche Kraft geschätzt und in den kirchlichen Diskursen als selbstverständlicher Teil des Lebens offen miteinbezogen. Es sei aber dringend nötig, die Leiblichkeit als Dimension des Glaubens unbedingt einzubeziehen, wie die an der Uni Basel lehrende Prof. Dr. Andrea Bieler in ihrem Referat meinte.

Sie stelle fest, dass sexuelles Begehren sehr divers sein könne und bezog sich darauf auf den Schöpfungsbericht in 1 Mose 1, 27, wo wörtlich steht: «Und Gott schuf den Menschen in seinem Bilde, im Bilde Gottes schuf er ihn; männlich und weiblich schuf er sie.» und Paulus, wo dieser in Gal 3, 28 sagt: «Da ist nicht Jude noch Grieche, nicht Knecht noch Freier, nicht Mann noch Frau; denn alle seid ihr Eine/r in Christus Jesus.» Die Taufe als Ausdruck des ‚zu Christus gehörig‘ müsse der vorrangige Identitätsmarker eines Christenmenschen sein und nicht die Geschlechtsidentität! Gelingende Sexualität setze Freiwilligkeit und Respekt voraus.

Die Referentin beschrieb den Menschen als sexuelles Wesen seit Geburt an, welches auf Bindung und Kommunikation angelegt sei. Die Erforschung neuronaler Bahnen im Körpergedächtnis durch die Neurowissenschaften zeigten dies deutlich. Respekt, Dialogbereitschaft und das Ablegen von Scheuklappen sind gefordert, wenn wir als Kirche wollen, dass wir uns bei diesen Themen auf Augenhöhe begegnen können!

Die Meinung der Autorin in diesem Beitrag entspricht nicht in jedem Fall der Meinung der Landeskirche.

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17 Kommentare
  • Barbara Oberholzer
    Gepostet um 06:36 Uhr, 20. Dezember

    Danke für diesen anregenden Beitrag, Esther! Ja, der Glaube und die Leiblichkeit …. in der Literatur bilden Eros und Thanatos, die Liebe und der Tod, ein klassisches Paar. Ich frage mich, inwieweit gerade die Sexualität uns zwar das biologische Üeberleben sichert, aber in unsern Köpfen auch ungewollt Erinnerung ist für Altern, Zerfallsprozess, irdische Vergänglichkeit. Ob die Sexualität wirklich eine von „Gottes schönsten Gaben“ ist? Wieso sollte sie das sein? Ich plädiere für die Liebe ?!

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    • michael vogt
      Gepostet um 03:00 Uhr, 21. Dezember

      eros und thanatos, und im neuen testament ἀγάπη agápe und Θάνατος thánatos. die zeitgemässe version von eph 5.22-25: eine beziehung gelingt soweit, als beide gestorben sind. die sexualität sichert zwar einerseits das biologische überleben, sie gefährdet es aber auch, durch die schiere vielzahl. sexualität und liebe kann man, finde ich, nicht vergleichen. liebe besteht aus verschiedenen erfahrungen, die sexuelle erfahrung kann eine davon sein. „die grösste unter diesen ist die liebe“, 1kor 13.13, gleich zweimal die 13, da muss man etwas aufpassen, was man sagt. in der 3 sehe ich die aufgehende sonne. sexualität kann auch ausdruck von glaube oder hoffnung sein. die alternative „liebe“ – ist das nicht zu kirchlich? auch vorpersonale sexuelle erfahrungen gehören zum schönsten, zum besten. solange sie nicht gemein sind. ist nicht das gerade eine verbreitete ursache des problems, dass zb jungen leuten die liebe als alternative hingestellt wird, was die sexuelle entwicklung hemmt, was dann wiederum zur gemeinheit führt?

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    • Esther Gisler Fischer
      Gepostet um 11:43 Uhr, 21. Dezember

      Ja klar_ Die Liebe! Nur scheinen eben Triebe manchmal wirkmächtiger zu sein als das hehre Gefühl!
      Ein wunderschönes Fest ‚als die Liebe Hand und Fuss bekam‘ wünsche ich dir und deiner Familie!
      Herzlich
      Esther.

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  • michael vogt
    Gepostet um 02:21 Uhr, 21. Dezember

    in meiner jugend war ich ein versierter langstreckenläufer. musste dann aufhören wegen eines stechens im vorderfuss. mit den jahren begann ich wieder, wenn ich ohnehin zu fuss unterwegs war, um voranzukommen. kurz bevor ich diese sendung nachhörte, begann ich wieder hinauszugehen, um ganzen strecken per dauerlauf zu machen. die ehemalige nonne ist mir eine zusätzliche animation (https://www.srf.ch/sendungen/sternstunde-religion/sexualitaet-gottes-unheiliges-geschenk > 18:06-26). sonst bringe ich dem katholischen priestertum mehr achtung entgegen, als das im gespräch bei ihr herauskommt, als versuch dem allem, was sexualität mit sich bringen kann, zu entgehen. in diesem zusammenhang verstehe ich auch das wort „mord“, das ich abgesehen davon für das, wofür es verwendet wurde, nicht verwende. das kann der bessere weg sein. aber nicht unser thema. auch sie ist nach seinem bilde geschaffen. das war schon oft thema. aber es kommt etwas hinzu: die bilder sind, haben und können noch etwas, was dem urbild nicht zukommt. es gibt darum dafür auch keine ebenbildlichkeit. eine ganz wesentliche, grundlegende ursache der problematik. es braucht hier, finde ich, eine redormation (zur begriffsbildung: http://blog.ref-ag.ch/redormierte-kirche/ – médaille d’dor für den schönsten verschreiber, der mir, mit luther gesagt, „obkommen ist“), ein drüber schlafen, oder, wie ein diskussionsteilnehmer zu dieser interessanter als leistungen seienden fehlleistung sagte: „redormir – ja, wieder zusammen schlafen. 😉

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    • michael vogt
      Gepostet um 03:11 Uhr, 21. Dezember

      und gerade selbst ein verschreiber: d’or muss es natürlich heissen

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  • Barbara Oberholzer
    Gepostet um 08:41 Uhr, 21. Dezember

    Guten Morgen Herr Vogt
    Mir ist schon einige Male aufgefallen, dass Sie auf Kommentare von Esther Gisler Fischer und mir besonders angeregt reagieren. Irre ich mich? Oder weshalb könnte das sein?

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  • Alpöhi
    Gepostet um 14:25 Uhr, 22. Dezember

    Die Sexualität ist eine machtvolle Himmelskraft… und wir sind herausgefordert, damit lustvoll UND verantwortungsvoll umzugehen. Es stimmt: wir sind sexuelle Wesen vom ersten Atemzug an, nicht erst ab dem Hochzeitstag. Augustinus hatte offenkundig ein Problem mit Frauen. Darin sehe ich bis heute die Wurzel der leibfeindlichen und frauenfeindlichen Strömungen in der Kirche. Im Islam dürfte es ähnlich sein. Eine übertriebene, unheilsame „Überverantwortung“ ist die Folge.

    Die „befreite“ säkulare Gesellschaft ist inzwischen auf der anderen Seite des Kamels heruntergefallen. Eine übertriebene, unheilsame Übersexualisierung und Überbetonung der Lust ist die Folge.

    Insbesondere für junge Menschen ist es schwierig geworden, in diesem Minenfeld einen guten Weg zu finden. Das Problem wird noch verschärft dadurch, dass Geschlechtsreife und Verheiratung heute 10-20 Jahre auseinanderliegen (anders als früher). Die offizielle Kirche bietet keine Hilfe, wie junge Menschen (oder ganzbgenerell Alleinstehende0 dieses Vakuum füllen könnten.

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  • Alpöhi
    Gepostet um 14:36 Uhr, 22. Dezember

    Wie könnte es denn besser sein, hilfreicher? – Umfragen zeigen: Junge Menschen sehnen sich nach gelingender Sexualität, gelingender „Zweierkiste“ und Treue. Das ist für mich das Ziel, das hinter dem biblischen Konzept „kein Sex vor der Ehe“ steckt Aber es wäre hilfreich, wenn die Kirche dieses Konzept von Ballast befreien und in eine moderne Sprache übersetzen könnte.

    Ein Versuch für Vorschläge:
    – Gelingende Beziehung baut auf Treue
    – Gelingende Beziehung baut auf Bereitschaft zum Neuanfang nach Streit (Vergebung)
    – Gelingende Beziehung baut auf Augenhöhe
    – Gelinhende Sexualität braucht einen geschützten Rahmen
    – Gelingende Sexualität nimmt wahr, was da ist (Gedanken, Gefühle, Körperlichkeit)
    – Gelingende Sexualität verzichtet auf „virtuelle Erlebnisse“ (die Realität ist anders)

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    • michael vogt
      Gepostet um 00:49 Uhr, 23. Dezember

      öhi, hat mich ja gefreut, dass Sie am ende der tagebuchdiskussion noch mit einem guten spruch dahergekommen sind. das kann den frauen – und uns natürlich auch – nämlich auch etwas bringen, wenn wir sie darauf aufmerksam machen, wo die selbstthematisierung inklusive narzissmus zu weit geht – wenn auch sprachlich hervorragend aufwartend wie oben von einer ehemaligen deutschlehrerin – ebenso die meinung, es liege nur an den männern und nicht auch an ihnen, inklusive nicht gewahrwerden der eigen fehler. konnte den daumen dann doch nicht nach oben heben, zb weil da noch eine abqualifizierung des blogs hier dabei war. nicht dass, was Sie sagen, nichts für sich hätte, aber man muss das zb in relation sehen: hier läuft die diskussion, wahrend auf den beiden anderen grösseren reformiert-kirchlichen seiten fast gar nichts geht. und dieses interaktive ist die gelegenheit par éxcellence zur weiterentwicklung des denkens, des lebens. auch bei Ihrem oberen kommentar war mein daumen drauf und dran, himmelwärts zu steigen, aber, ich finde, wir müssen schon weiter zurückgehen als bis zu augustin. jesus hat zwar die emanzipation von allerlei lebensfeindlichem auf umwerfende weise initiiert, aber bei weitem nicht in jeder hinsicht ausgeführt und durchgeführt. was Sie „übersexualisierung“ nennen, ist andererseits auch ein entspannteres verhältnis zur sexualität. porno, insbesondere mit dem wort „soft“ vorangestellt, ist nicht nur fehlleitung zum leistungssex, sondern kann uns auch zu besseren sexualpartnerInnen machen, als wir sie schon gesehen haben. die virtuelle welt ist eine art reich der ideen (plato), die sich in der nicht-virtuelle welt konktretisieren können. in vieler hinsicht bin ich elektronikskeptiker, frage mich aber: „warum ist meine wahrnehmung des baumes vor meinem fenster heute vollständiger als auch schon?“ das verhältnis der virtuellen und nicht-virtuellen welt besteht meines erachtens in der beide verändernden vereinigung von beiden. und was heisst treue? ich finde, eine sexuelle beziehung kann auch ausserhalb einer festen partnerschaft im sinne der weiterentwicklung des lebens und der zurückentwicklung der im film beanstandeten gemeinheit gelingen. und haben Sie übrigens gewusst: alice schwarzer war in Ihrer jugend ein grosser heidifan. da tun sich verbindungen auf! mit freundlichen grüssen auch an die gefante.

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      • michael vogt
        Gepostet um 01:11 Uhr, 23. Dezember

        in „ihrer“ jugend, wollte ich natürlich schreiben – und wenn ich schon am korrigieren bin: die virtuelle welt kann uns ein wesentlich umweltentlastenderes leben ermöglichen. weniger hinfahren – und weniger vermehrung.

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      • michael vogt
        Gepostet um 02:18 Uhr, 23. Dezember

        germanistin muss es genauer heissen. irgendwo meine ich gelesen zu haben, auch lehrerin. und „konktretisieren“ ist auch ein schöner: also nicht treten an ort, die herausforderung – so meine assoziation – , mit möglichst wenig elektronik auszukommen, bleibt.

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      • Alpöhi
        Gepostet um 12:45 Uhr, 23. Dezember

        >> ich finde, wir müssen schon weiter zurückgehen als bis zu augusti

        Aber im Judentum gibt es diese Leibfeindlichkeit nicht.

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      • michael vogt
        Gepostet um 04:02 Uhr, 24. Dezember

        é > e – zusammen mit è das dach der weihnachtskrippe – darin der esel 😉

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