Leere Kirchen braucht es nicht
Am diesjährigen Campus Kappel haben Jugendliche mit vier Theolog(inn)en und einer Freidenkerin diskutiert, ob es noch Kirchen braucht. Dabei wurde auch folgende Frage gestellt: Sind leere Kirchen eigentlich ein Problem – und wenn ja, für wen? Ich bekenne hiermit: Für mich sind leere Kirchen ein Problem.
Für reformierte Verhältnisse bin ich eine überdurchschnittlich eifrige Kirchgängerin. Nicht gerade jeden Sonntag, aber doch zwei- bis dreimal pro Monat versuche ich, mit meiner kleinen Familie einen Gottesdienst zu besuchen. Einerseits schätze ich den Moment des Innehaltens. Andererseits will ich, dass Kirche für meinen Sohn etwas Vertrautes ist.
Allerdings gibt es in meiner Kirchgemeinde, die immerhin vier Standorte und ein sehr grosses Stadtgebiet umfasst, keinen Ort, an dem man mit kleinen Kindern jeden Sonntag hingehen könnte. Einmal pro Monat findet ein Familiengottesdienst statt, der auf Kinder ab dem Kindergartenalter ausgerichtet ist. Vor kurzem haben wir ihn wieder einmal besucht. Die mir unbekannte Pfarrerin (eine Vertretung) begrüsste die Kinder mit einer Handpuppe in Form eines Affen, mit dem sie sich unterhielt. Wobei das Wort „unterhalten“ falsche Assoziationen wecken könnte. Die Pfarrerin versuchte nicht einmal, ihre Stimme zu verstellen, wenn sie den Affen sprechen liess. Beide Konversationspartner sprachen in demselben, monotonen Kanzeltonfall, mit dem die Pfarrerin später den Bibeltext und die Liste der Verstorbenen vorlas. Brichst du dir wirklich einen Zacken aus der Krone, sagte ich (natürlich nicht laut) zu ihr, wenn du dich für die Kinder zum Affen machst?
Zweifelsohne handelte es sich um einen sorgfältig geplanten und ordentlich durchgeführten Gottesdienst. Es passierten keine Fehler. Es gab sogar kreative Elemente. Aber ich wurde den Eindruck nicht los, dass die Pfarrerin den Gottesdienst „erledigte“. Sie erfüllte ihre Pflicht. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Es war kein Anliegen für die Gemeinde spürbar oder dafür, dass irgendeine Botschaft rüberkommt.
Das Feuer der Berufung muss nicht pausenlos lodern und heilige Funken der Begeisterung versprühen. Die besonders charismatischen Persönlichkeiten auf der Kanzel schrecken mich eher ab. Aber es ist mir wichtig, dass sich ein/e Pfarrer/in mit der Kirche und ihrer Botschaft identifiziert und daran interessiert ist, die Menschen im Gottesdienst auf die eine oder andere Weise anzusprechen.
Wenn ich angesichts von kaum besuchten Gottesdiensten das Argument höre, dass es ja nicht um die Menge gehe und gar nicht das Ziel sein müsse, die Kirche voll zu kriegen, dann empfinde ich das in vielen Fällen als Ausrede. Mein Beispiel ist schliesslich kein Einzelfall. Gerade weil ich nicht nur an Ostern und Weihnachten in den Gottesdienst gehe, habe ich es schon etliche Male erlebt, wie für eine Handvoll treuer Besucher ein tristes Pflichtprogramm abgespult wurde. Ohne Risiko. Ohne Beschwerden. Aber auch ohne Rücksicht darauf, dass es im Quartier sehr wohl Menschen gäbe, die kommen würden, wenn sie sich angesprochen fühlen würden. Es ist ja nicht so, dass das Format Gottesdienst prinzipiell ausgedient hätte. Dort wo Engagement, Authentizität und Profil bemerkbar sind, dort machen Leute mit – unabhängig von der theologischen Ausrichtung. Nicht alle, vielleicht auch nicht wahnsinnig viele, aber immerhin genug, um den Eindruck zu erwecken, dass es sich beim Gottesdienst nicht um eine Alibi-Übung handelt.
Natürlich findet kirchliches Leben nicht nur im Gottesdienst statt. Natürlich braucht es verschiedene, moderne, alternative und traditionelle Gottesdienstformen. Aber was es nicht braucht, sind leere Kirchen.
Übrigens hatten die Jugendlichen am Campus Kappel sehr gute Ideen, mit welchen Arten von Kirche mehr Leute angesprochen werden könnten. Wenn wir sie die Zukunft der Kirche mitgestalten lassen und darauf verzichten, ihnen unsere Vorstellungen und Formen aufzudrücken, ist vieles möglich!
Catherine McMillan
Gepostet um 07:54 Uhr, 22. AugustMir aus dem Herzen gesprochen! Danke!
Marcus Degonda
Gepostet um 08:00 Uhr, 22. AugustBitte schicken Sie die Ideen der Jugendlichen an das Projekt Reform, Zusammenschluss der ref. Stadtgemeinden Zürich zu einer Kirchgemeinde (http://www.kirchenreform-zh.ch/). Da werden Ideen für neue Gottesdienstformen gesucht. Ich bin mir nicht sicher, ob man Jugendliche schon befragt hat.
Alpöhi
Gepostet um 10:42 Uhr, 24. AugustEs hängt doch nicht an der Form. Sondern am Inhalt. Frau Stöcklin bringt es auf den Punkt: Das Feuer der Berufung kann nicht jeden Sonntag gleich heiss lodern. Aber, um Himmels Willen: Wenn der Pfarrer oder die Pfarrerin nichts zu sagen weiss, soll er/sie doch einfach die Klappe halten – und stattdessen mit den Menschen Gottesdienst FEIERN!
michael vogt
Gepostet um 00:20 Uhr, 25. Augustdas thema war mal „gd in der badi“ – keine einzige badenixe, lauter – willkommene – im pensionsalter
Barbara Oberholzer
Gepostet um 08:23 Uhr, 22. AugustKönnt ich aus eigener Erfahrung jetzt so nicht bestätigen …. dass wenigstens in der Stadt Zürich die Gottesdienste nur noch ein tristes Pflichtprogramm seien. Im Gegenteil. Häufig bewundere ich meine Kolleginnen und Kollegen dafür, wie sorgfältig, engagiert, humor- und liebevoll sie ihre Gottesdienste gestalten, ganz unabhängig von der Zahl der Besucherinnen. Und in den Spitälern könnten wir uns sowas schon grad gar nicht leisten.
Sara Stöcklin
Gepostet um 09:48 Uhr, 23. AugustJa, zum Glück habe ich nicht das ganze Bild gezeichnet und mache zuweilen auch andere Erfahrungen (übrigens bin ich nicht im Kanton Zürich zu Hause). Allerdings steht „sorgfältig, engagiert, humor- und liebevoll“ für mich nicht immer im Widerspruch zu leeren Kirchenbänken. Gerade wenn jemand seine/ihre 15 treuen Besucher/innen ganz glücklich und zufrieden macht mit dem Gottesdienst, ist die Versuchung doch gross, gar nicht zu versuchen, mehr Menschen anzusprechen.
Barbara Oberholzer
Gepostet um 09:58 Uhr, 23. AugustSorry, hatte die Abschnitte 3-6 Ihres Beitrags so verstanden. Den letzten Satz Ihres obigen Kommentars – meinen Sie den wirklich ernst?
Sara Stöcklin
Gepostet um 10:11 Uhr, 23. Augustsagen wir so: Ich fürchte dass es manchmal so ist. Zumindest ist es (glücklicherweise) nicht meine Erfahrung, dass alle Pfarrer/innen in schlechtbesuchten Gottesdiensten abgelöscht oder unmotiviert sind.
Hans-Peter Geiser ZH Pfarrer, Dr. theol. M. Div.
Gepostet um 10:01 Uhr, 22. AugustOb wohl Campus Kappel 2017 oder ein Reformprozess der Stadt Zürich 2018 auch die berühmt bekannte organisationstheoretische Parabel kennt vom Frosch im sich langsam erwärmenden Kochtopf? „Es war einmal ein Frosch, der fiel in einen sich stetig langsam immer weiter erhitzenden Kochtopf. Doch was jede/r zu meinen glaubte, dass solch ein Frosch doch so schnell und subito wie möglich versuchen würde, sich mit allen Mitteln und Möglichkeiten und Gefahrensensoren von eigner Phantasie und Wahrnehmung des langsam brodelnd kochenden Kochtopfs aus dem Kochtopf einen Weg zu schaffen – oder wenn’s sein muss einen zu erfinden -, und sich schnellstmöglich mit allen Kräften und Phantasien und Gefahrensozialstatistiken aus dem kochenden Staube zu machen, blieb der Frosch ruhig und gemütlich und unbesorgt und wohlbehütet im sich stetig langsam und stetig immer weiter still und leise erhitzenden kochenden Kochtopf, Stetig langsam still und leise erwärmend – bis zum letztmöglichen Kochpunkt.“ (sehr modern geformte alt und neue Paraphrase 2017).
In Genf kracht seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, eine ehemalige Genfer Reformierte „Landeskirche“ – ehemals ENPG Eglise Nationale Protestante de Genève – finanziell und personell stetig und langsam und still und leise zusammen – trotz seit Jahrzehnten vorgenommenen „Reformprozessen“ der Regionalisierung sprich Genfer KirchGemeindePlus -, bei noch weniger als heute 2% der GE Bevölkerung, die einer Genfer Reformierten Kirche noch irgend einen finanziellen Beitrag liefert. In Basel sind die Reformierten – ebenso trotz einem KirchGemeindePlus strukturverändernden Regionenkonzept – längst in Richtung 15% bei über 45% Konfessionslosen in einer Stadt Basel. In Berlin – trotz Deutschem Kirchentag 2017 bis Wittenberg mit 40’000 weniger Besuchern/innen als erwartet zu Reform und Reformation 2017 – sind über 70% längst konfessionslos. In Holland eine ganze Nation. In Frankreich spricht man von über 50% – die Zahlen eher diffus. In Bern kracht eine Gesamtkirchgemeinde Stadt Bern genauso – trotz „BE Reformprozessen“ mit Hans Strub in strukturverändernder Begleitung – finanziell und personnell zusammen. In der Stadt Zürich gibt und gab es Gottesdienste mit weniger als 5 Leuten – trotz oder wegen einem „Reformprozess“ 2018.
Und um den Kochtopf zu vervollständigen.
Eine Waadtländer Reformierte Kirche jagt eine/n Reformierte/n Pfarrer/in nach dem anderen in die CH Sozialhilfe. Zerstört nach 25 Jahren VD Pfarramt Menschen mit besten Fähigkeiten. Stellt fristlos Waadtländer ordinierte Pfarrer/innen auf die Waadtländer oder ausserkantonalen Strassen. Im Kanton Bern streitet eine Reformierte Kantonalkirche für fast eine ganze Million Berner Juristenkosten um das Verbleiben eines seit über 25 Jahren amtierenden Reformierten und seit Jahrzehnten höchst kreativen Pfarrers, dessen BE Gottesdienste von Hunderten besucht wurden. Heute nur noch von wenigen – nach Rausschmiss via goldenem Fallschirm.. Ein ZH Kirchenrat schlägt in ZH Fällanden eine ganze ZH Kirchgemeinde in Zürcher Scherben – TA ZH 2016 „Jesus, was für ein Kindergarten“ Thomas Widmer“ – und jagt andernorts ZH Pfarrer in 37 Tage U-Haft für nichts und wieder nichts ausser dem eigenen kochenden Kochtopf in ZH Unfähigkeit, als Kirche Jesu christlich zu sein. Im Kanton AG zerbrechen seit Jahren arbeitslose und sozial ausgesteuerte höchst qualifizierte und kreative Reformierte Pfarrer/innen 2017. Mehrere in CH.
Gleichzeitig fährt eine ZH Synode 2017 über 5 Millionen Ertragsüberschuss 2016 ein und legt sie auf 31 Millionen Eigenkapital der ZH Landeskirche. in die Zürcher Kantonalbank.
Während in Zürich-Stettbach jeden Sonntag fast 3’000 jüngste der Generationen XYZ im ICF CH in den Gotttesdienst gehen. Jeden Sonntag. Nicht nur monatlich ein paar Male.
Wir jedoch im Kochtopf uns selber zu Ende braten. Welcher Frosch kann da noch überleben? Im Kochtopf. Wohl kaum ein Frosch.
michael vogt
Gepostet um 03:40 Uhr, 23. Augustja nachdem, was wir unter leere verstehen, ist nichts wünschenswerter als leere kirchen
Anonymous
Gepostet um 13:36 Uhr, 23. August?
Anonymous
Gepostet um 19:59 Uhr, 23. AugustDas Evangelium wird ja nicht nur in Kirchen verkündet und gelebt!
michael vogt
Gepostet um 00:02 Uhr, 24. Augustja > je
Anonymous
Gepostet um 00:11 Uhr, 25. Augustmeine freie assoziation zum verschreiber war: „ja, nach dem was wir unter kirche verstehen (oder „ja, nachdem wir das unter kirche verstehen“), ist nichts wünschenswerter als leere kirchen.“ so denke ich nicht, es muss heissen „je nachdem, …“, aber es schadet nichts, wenn ein verschreiber einem auch mal zu denken gibt.
michael vogt
Gepostet um 00:15 Uhr, 25. Augustmeine freie assoziation zum verschreiber war: „ja, nach dem was wir unter kirche verstehen (oder „ja, nachdem wir das unter kirche verstehen“), ist nichts wünschenswerter als leere kirchen.“ so denke ich nicht, es muss heissen „je nachdem, …“, aber es schadet nichts, wenn ein verschreiber einem auch mal zu denken gibt.
michael vogt
Gepostet um 17:21 Uhr, 25. August„bei dem, was wir. . .“