Segensgebet für das «Didymos»

Alle stehen wir gebannt über der riesigen Baugrube und fixieren gespannt eine ungewöhnliche Szene. Rund um ein quadratisches Loch stehen zwar wie gewohnt Bauarbeiter, aber auch Seelsorger in liturgischen Gewändern. Alle mit gelbem Bauhelm auf dem Kopf. Im Loch ein Metallzylinder, über dem Loch, vom Kran herbeigedreht, ein riesiger Betonbehälter. Dieser wird mit vereinten Kräften von den Bauarbeitern und den Seelsorgern entleert, der Zylinder einbetoniert.

Es ist der eisige 2. März 2018 um die Mittagszeit, wir sind Zeugen der Grundsteinlegung und des damit verbundenen Segensgebetes für den Neubau Didymos des Kantonsspitals Winterthur. Für eine halbe Stunde wurde die Betriebsamkeit rund um den Millionenbau unterbrochen zugunsten einer Besinnung auf das, was dem Ganzen zugrunde liegt. Dem Akt in der Baugrube sind Grussworte vorausgegangen. Es sprach der Spitaldirektor von der kulturellen Errungenschaft des solidarischen Gesundheitswesens, das seine Wurzeln in der christlichen Tradition hat.  Er denkt an die vielen Menschen, die ihre Geschichte in dieses Haus tragen werden. Der stellvertretende Kantonsbaumeister freut sich, endlich einmal über anderes zu sprechen, als Fakten und Zahlen rund um einen Bau. Der reformierte und der katholische Leiter des Seelsorgeteams beten zusammen mit einem Imam für alle, die an diesem neuen Bettenhochhaus bauen und für diejenigen, die darin arbeiten und insbesondere diejenigen, die hier als Patientinnen und Patienten nach Heilung, Linderung, Trost, Stärkung suchen werden. Sie tun dies stellvertretend für alle Religionsgemeinschaften. Man spürt den Stolz aller Anwesenden, mit ihrem Wissen, Können und ihren Fertigkeiten zum Gelingen dieses Baus beitragen zu dürfen.

Die Idee für diesen Anlass sei von den Spitalseelsorgern gekommen, erzählt der Spitaldirektor. Etwas Mut hätte es schon gebraucht, sie zu realisieren. Aber beim Verabschieden ist eindeutig zu spüren, dass alle dankbar sind für diese Feier, die aufmerksam macht auf die Werte, die unser Gesundheitssystem prägen und darauf, dass Menschen viel gestalten und bewirken können, aber letztendlich auf den Segen des Ewigen angewiesen sind.

Längst sind alle wieder an ihre Arbeiten zurückgekehrt. Mir bleiben die eindrücklichen Bilder noch im Kopf hängen. Hier haben gerade gesellschaftliche Akteure aus Medizin, Wirtschaft, Handwerk, Politik und Religionsgemeinschaften ein Zeichen gesetzt, dass unsere Gesellschaft vom Miteinander der Kräfte lebt. Und ein Wort des Spitaldirektors bleibt auch in meinem Kopf hängen: „Die Seelsorgenden sind die einzigen in meinem Haus, mit denen ich sprechen kann, ohne ihnen etwas zu sagen zu haben. Es ist gut, kommt die Seelsorge von aussen und ist mein kritisches Gegenüber.“

Die Autorin ist für diesen Beitrag verantwortlich und der Inhalt entspricht nicht in jedem Fall der Meinung oder dem Standpunkt der Landeskirche.

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1Kommentar
  • Anita Ochsner
    Gepostet um 09:23 Uhr, 04. März

    Dieser Beitrag freut mich sehr, der soviel Wertvolles rundum Spitalseelsorge aussagt!
    in den Sonntagmorgen hinein. Vielen Dank. 🙂

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