Spiritual Care vor dem OP
«Geht nicht, gibts nicht, machen wir nicht!» – so hätte es im UniversitätsSpital Zürich noch vor nicht allzu langer Zeit geklungen, da bin ich überzeugt. Wohl «aus hygienischen Gründen» – das Killerargument in jedem Krankenhaus. Doch worum geht es?
Herr R.*, 43, liegt auf der Intensivstation und wartet auf ein neues Herz. Es geht ihm sehr schlecht. Drei kleine Kinder sind da. Die Ehefrau managt alles, so gut sie kann. Und sie richtet einen ganz besonderen Wunsch an die Seelsorge: Sollte das neue Herz rechtzeitig eintreffen für ihren Mann, wünscht sie sich eine Segnung seines alten. Nicht am Krankenbett. Nein, erst dann, wenn es entnommen ist. Zusammen mit einer Fotografie zur Erinnerung. «Es ist doch das Herz, in das ich mich verliebt habe, das Herz meines Mannes, das Gott ihm geschenkt hat, das ihn warm und lebendig erhält bis jetzt. Es soll nicht einfach so entsorgt werden» – bewegender lässt sich ihr Anliegen kaum begründen.
Ein Segen für das alte Herz, das Bedürfnis, Gott und ihm zu danken dafür, dass es so tapfer geschlagen und ausgehalten hat – ein Wunsch, der mir völlig einsichtig war. Den ich wunderschön fand. An uns sollte es nicht liegen. Die Fragezeichen kamen etwas später. Sie waren allerdings nicht theologischer, sondern logistischer Art. Herztransplantationen ergeben sich nicht nach Plan. Niemand weiss, wann ein passendes Herz zur Verfügung steht. Wann ein anderer Mensch stirbt, der über einen Spenderausweis verfügt und dessen Herz passt. Das alte Herz und die Seelsorge im entscheidenden Moment zusammenzubringen – das war die Herausforderung. Allein würden wir das nicht schaffen. Und ich verstand einen Transplantationskoordinator gut, der erst etwas schüchtern meinte: «Könnt ihr denn das alte Herz nicht segnen, solange es noch in ihm drin ist? Es wäre schon einfacher.»
Die TransplantationskoordinatorInnen sind die ersten, die erfahren, wann ein Organ kommt und für welchen Empfänger es bestimmt ist. Sie bildeten meine erste Anlaufsstelle. Und auch sie fanden die Idee einleuchtend, wenn auch ungewohnt. Es war für uns alle das erste Mal. Sie versprachen, eine entsprechende Notiz vorzunehmen. Und sie vergassen es nicht. Einige Tage später klingelte morgens um drei mein Handy – das neue Herz war im Anflug, ich wurde im OP-Trakt erwartet.
Wenn ich an den ganzen Anlass zurückdenke, bin ich einfach nur berührt. Und beeindruckt. Sicher von der Segnung selbst. Eine OP-Pflegende brachte das noch zuckende Herz hinaus in einen Nebenraum und liess mir alle Zeit, die ich brauchte. Aber vor allem beeindruckte mich die spontane Unterstützung, die ich vom Transplantations- und OP-Team erfuhr. Niemand sprach von Mehraufwand – den es für sie effektiv bedeutete. Niemand sagte: Machen wir nicht. Alle unterstützten die Idee, fanden sie schön, wollten dazu beitragen, dass die Segnung in möglichst ruhiger und würdiger Atmosphäre stattfinden konnte. Ohne diese Zusammenarbeit aller Beteiligter wäre die Aktion nicht möglich gewesen.
Und ich habe mich gefreut. Das ist Spiritual Care. Die interprofessionell funktioniert. Die auch ungewöhnliche Wege gehen, neue Sichtweisen eröffnen kann. Ein explantiertes Herz ist nicht einfach nur Spitalmüll. Für die Angehörigen nicht. Täusche ich mich? Oder ist seit einiger Zeit im USZ ein Klimawandel spürbar? Es wird weniger verdrängt, weniger abgewehrt. Emotionen, eigene und von andern, werden zugelassen, offene Fragen ausgehalten, spirituelle Bedürfnisse ernst genommen. Seelsorge bleibt nicht auf Konfessionen, Kirche und Krankenbett beschränkt, sondern ist willkommen, wo sie gebraucht wird. Ich habe im USZ auch andere Zeiten erlebt. Schön! Danke!
*Name geändert
Esther Gisler Fischer
Gepostet um 10:31 Uhr, 24. JanuarEin berührender Bericht; -danke Barbara!
Barbara Oberholzer
Gepostet um 16:00 Uhr, 24. JanuarDanke dir, liebe Esther!
Anita Ochsner
Gepostet um 11:33 Uhr, 25. JanuarEben genau solche „Geschichten“ und die Erfahrungen die darin auch andere im Umfeld dadurch machen können, unweigerlich, zeigen doch, dass Ihr niemals „überflüssig seid!
Ich denke dahinter steckt ganz viel Arbeit, eine Arbeit die so getan wird in der Wissen und Gewissen, die ganze Haltung aus dem eigenen christlichen Glauben heraus, im Beruf mit Vertrauen und Hoffnung für und in der Gewissheit, das die Dinge richtig sind, die „man“ als Seelsorgende od. Pfarrpersonen, Diakone in ihrem Beruf machen, so wie sie`s machen. wenn sie auch nicht immer gelingen mögen, wie gewünscht. Ich meine dadurch geschieht „Verwandlung“ – ein Verstehen Begreifen das übergreift in das Umfeld, ein interdisziplinäres Team eines Spitals… , so kann das werden was „vor noch gar nicht allzu langer Zeit“ nicht möglich gewesen wäre, doch heute möglich ist. So gut!
Barbara Oberholzer
Gepostet um 12:08 Uhr, 25. JanuarFrau Ochsner, ich danke Ihnen ganz herzlich für diese wunderschöne Rückmeldung! Sie gbtvauchnmirvwieder neue Energie ?!
Anita Ochsner
Gepostet um 12:21 Uhr, 25. JanuarDanke Ihnen Frau Oberholzer
soll sie auch, vielen, wenn auch schon manches Mal einem gehen, als ob man/frau sich „überflüssig“ fühlt, doch ist doch, was länge währt, und man vielleicht dazwischen sich „einsam“ fühlt., ist dennoch wie die Dinge getan werden, wird gesehen. Darüber sprechen zum Thema machen, gehört wohl denn auch dazu.
Einfach alles Gute in Ihren / Euren Dingen! Mut Kraft und Freude, mit einem guten Geist. :-).