Unternehmenssteuerreform III – eine Stellungnahme aus kirchlicher Sicht
USR III? «Ein neuer USB-Stick? Ach nein, das ist sowas mit Steuern und der Wirtschaft, das ist kompliziert, da versteh ich wenig von …» Nicht sexy, das Thema. Finden wir auch. Aber wichtig! Nicht um «links» oder «rechts» geht es hier. Sondern darum, wofür wir als Kirchen im ganzen Land einstehen: für Gerechtigkeit, Solidarität und Dienst am Nächsten.
USR III – zwingend notwendig?
Im gestrigen Beitrag schreibt Ruedi Noser beschwichtigend: «Der Mensch hat nicht gerne Veränderungen. Reformen wecken Unsicherheiten und die Angst, etwas zu verlieren.» Als Kirche semper reformanda haben wir gerne Veränderungen. Wenn sie in Richtung Gerechtigkeit und Solidarität gehen. Es stimmt: Bei der jetzigen Form der USR III haben wir Angst. Wir sind «zutiefst besorgt»! Nach Senkung des Steuersatzes für Unternehmen im Kanton Luzern auf 12 % gibt es Zwangsferien für SchülerInnen und Sparmassnahmen an Behinderten. Die «dynamischen Effekte» der Zuwanderung von Firmen blieben reines Wunschdenken. Die OECD will mittelfristig einen Mindeststeuersatz für Firmen von 18 %. Was die USR III vorschlägt, ist nicht nachhaltig und zukunftsfähig.
Steuergerechtigkeit in der Gesellschaft
Vor allem sozialethische Fragen stellen sich. Sie werden vom SEK aufgezeigt. Es ist Aufgabe des Staats, für ein funktionierendes Sozialsystem zu sorgen. Die Stärke des Volkes misst sich am Wohl der Schwachen, wie bei uns in der Präambel zur Verfassung eindrücklich festgehalten ist. Steuerfragen betreffen grundsätzlich die gesamte Gesellschaft. Es geht nicht an, dass Privatpersonen zunehmend zur Kasse gebeten oder durch Sparmassnahmen belastet werden und Grossunternehmen profitieren. Dies widerspricht einer gerechten Verteilung der Steuerlast. Es verkennt auch die Bedeutung, die der Mittelstand für unser Land besitzt.
Die USR III und die Kirchen
Im Kanton Zürich sind für uns keine Ausgleichszahlungen vorgesehen. Die Kirchen als Sozialwerke sind vergessen worden – oups, sorry! Für sozial Benachteiligte in der Gesellschaft einzustehen ist aber eine zentrale Aufgabe der Kirchen. Das ist theologisch unbestritten. «Was ihr einem dieser meiner geringsten Brüder und Schwestern getan habt, das habt ihr mir getan (Mt 25, 40). Gerade die Steuereinnahmen juristischer Personen werden für kulturelle und soziale Aufgaben eingesetzt. Für Beratung und Unterstützung von Arbeitslosen, Randständigen und Flüchtlingen, Alleinerziehenden und Familien. Von Menschen, die nahe dran sind, durch die sozialen Netze zur rutschen – jetzt schon! Auch aussortierte Mitarbeitende internationaler Firmen können dazu gehören. Für Palliative Care, für Seelsorge, die in Notfallseelsorge, Spitälern und Gefängnissen längst für alle da ist. Gottesdienst ist Dienst am Nächsten. 33.5 Millionen Franken im Kanton Zürich gehen diesem Dienst am Nächsten unwiederbringlich und Jahr für Jahr verloren. Wir meinen: Diese Beträge werden empfindlich fehlen! Zahlreiche SozialdiakonInnen, Kirchenleitende und Kulturschaffende haben mitunterschrieben beim «kirchlichen Nein».
Wir erfahren in unserer täglichen Arbeit in Gemeinde und Spital, dass bereits jetzt sozial nicht mehr alles zum Besten steht. Menschen sich von der Gesellschaft im Stich gelassen fühlen, die Entsolidarisierung zunimmt. Auch ohne USR III. Wollen wir das? Wir sind die Schweiz. Ein Land, das ein Gefühl für Balance besitzt. Das Kompromisse schliesst. Das ein vielfältiges Ganzes bildet und um dessen Reichtum weiss. Das nicht nur der Wirtschaft eine hohe Bedeutung zumisst, sondern auch dem sozialen Frieden. Eine Bevölkerung, die über keine Kaufkraft mehr verfügt, nützt der Wirtschaft wenig. Ohne (Steuer)Gerechtigkeit geht es nicht. Deshalb: return to sender! Noch einmal über die Bücher, Bund und Kanton Zürich. Es muss eine bessere Lösung geben. Wir schaffen das!
Barbara Oberholzer und Res Peter
Link SEK: Die Unternehmenssteuerreform III (USR III) aus theologisch-ethischer Sicht (pdf)
Seraphim Weibel
Gepostet um 08:17 Uhr, 17. JanuarIch bin mir nicht sicher ob das Lammento über sozial Abbau korrekt ist, im Sinne eines Argumentes gegen die USR3. Wir stimmen über ein Steuersystem ab und nicht ober Sozialabbau. Es liegt auf der Hand das weniger Geld weniger Leistung bedeutet, aber dazwischen liegen Handlungsfelder. Wir könnnen andere Steuern erheben. Das Primäre Argument ist deshalb meiner Meinung nach, dass die Schweiz ohnehin zu attrakiv ist. Wir müssen nicht weiter Firmen in dem Ausmas anziehen wie in den letzten 20 Jahren. Wir können die dazu nötigen Arbeitskräfte nicht liefern und ein Grossteil der Bevölkerung möchte diese Arbeitkräfte auch nicht Importieren. Ich denke das ist der korrekte Argumentationsstrang, deshalb machen wir überhaupt die Umstellung von Holdingbesteuerung zu Lizenzboxen. Nach dem die Schweiz Jahrelang moralisch verwerfliche Steuerprivilegien gewährte müssen diese nun geändert werden, das ist unbestritten und überfällig. Das das Gesetzt nicht ausgewogen ist, zeigt wieviele Nationalräte sich wenige für das Wohl des Landes interessieren und stattdessen für Ihre Auftraggeber blindlings diesen jeden Wunsch zu erfüllen versucht. Darum ist das Referendum richtig. Die Message ans Parlament ist : So nicht! Umstellung auf Lizenzboxen ja, aber bitte zum Wohl des ganzen Landes und nicht nur für höchst mobilen Firmen die einen Scheiss darauf geben ob von der Schweiz aus Ihre fragwürdigen Internationalen Geschäfte machen oder der Sitzt sonstwo ist.
Christoph Landolt
Gepostet um 11:01 Uhr, 17. JanuarWir stimmen jetzt nicht über die Umsetzung der Reform ab (die durch ein kantonales Gesetz folgt), sondern über das Rahmengesetz. Erst mit dem Umsetzungsgesetz wird festgelegt, ob und wenn ja wie viel Steuereinnahmen die Kirche verliert. Und auch dieser Verlust wird nur vorübergehend sein – mittelfristig gesehen nehmen die Steuern der juristischen Personen stark zu. Es ist deshalb weder richtig noch hilfreich, wenn Sie solche Lamento-Negativpropaganda betreiben.
Yves Polin
Gepostet um 00:54 Uhr, 18. JanuarBemerkenswert, die neuen Kernkompetenzen der Reformierten Landeskirche: „Steuerberatung“ und Steuerpolitik. Nur weiter so!
Barbara Oberholzer
Gepostet um 05:57 Uhr, 18. JanuarGuten Morgen! Offenbar hat sich bei unserm Beitrag ein Missverständnis ergeben: Unser „wir“ stellt weder die Stimme der ganzen Kirche dar noch irgendein pluralis majestatis, sondern bezieht sich auf die Meinung von Res Peter und mir – unser Beitrag ist ein Gemeinschaftswerk. Vllt kann man dies auf diesseits deutlicher machen? Gleich unter dem Titel zwei Verfasser, refzh? Vielen Dank!
stephan jütte
Gepostet um 09:57 Uhr, 18. Januarliebe barbara, danke für den hinweis. ich finde jedoch, dass dies deutlich genug ersichtlich wird. wir schreiben ja auch sonst nicht „dieser artikel spiegelt nicht die meinung der reformierten landeskirche des kantons zürich, sondern ist die privatmeinung der autorin“…
Anita Ochsner
Gepostet um 10:12 Uhr, 18. JanuarVielen Dank Frau Oberholzer und Herr Peter für diesen weiteren, fundierten Beitrag und den Link SEK.