(W)Affengeschäfte

An der Effective Weapons Convention waren sämtliche Standplätze von den grössten Rüstungskonzernen besetzt: Thales aus Frankreich, Leonardo aus Italien, BAE Systems aus Grossbritannien, General Dynamics, Boeing und Lockheed Martin aus den U.S.A. In hinteren Teil des Gebäudes, zwischen WC und Hinterausgang eingeklemmt, war der Stand der RUHE-AG platziert. Maximal 30 Quadratmeter, die aber effizient ausgenutzt wurden. Markus von Gunten, Foreign Exhibitions Responsible, sass auf einem Plastikschemel, der unter seinem Gewicht arg litt. Wegen den horrenden Reise- und Spesenkosten war er alleine gereist und langweilte sich seit Stunden: das Tetris-Spiel auf seinem Smartphone hatte nur kurzfristig für Abwechslung gesorgt, jetzt spielte er nervös mit dem Merchandising-Kugelschreiber seiner Firma, der bislang als Geschenk noch keine Abnehmer finden konnte. Der Kugelschreiber war übrigens ein Designprodukt der Schweiz, aus alten Patronenhülsen in China hergestellt und jetzt, nach einer Reise von knapp 8‘000 Kilometer in einer Messehalle von Kansas City erfolglos zur Schau gestellt. Herr von Gunten fiel fast vom Stuhl, als er von einem gut gekleideten Mittvierziger angesprochen wurde.

„Ihre schweizerische Firma scheint nicht viel ausgeben zu wollen…“, sagte der potentielle Kunde zwar auf Deutsch aber mit einem amerikanischen Akzent und zeigte auf den bescheidenen Stand.

„Wie, bitte?“, stammelte Herr von Gunten überrascht.

„Ich heisse Rothlisberger, geboren in Arizona, meine Ur-Ur-Grosseltern stammen aber aus der Schweiz“ und reichte dem Standmitarbeiter die kräftige Hand.

„Von Gunten, seit Generationen in Lauterbrunnen wohnhaft“, antwortete er ihm sichtlich stolz und überreichte ihm die Visitenkarte.

„Was verkaufen Sie hier?“, fragte Mister Rothlisberger.

„Nur Schweizer Ware, Qualitätsprodukte erster Güte: Helikopter, Business-Jets, Bauteile und Rumpfsektionen, Waffensysteme, Munition und vieles Mehr. Aber keine Schweizermesser! Das muss ich schon am Anfang loswerden, weil ich immer danach gefragt werde.“

„Ich dachte die Schweiz sei neutral und nicht im Waffengeschäft tätig?“

„Sie meinen wahrscheinlich Schweden, die Länder werden leicht verwechselt“, antwortete ihm von Gunten lächelnd und fügte hinzu: „Unsere Produkte sind nur für die Friedenssicherung prädestiniert, ISO-zertifiziert, und natürlich erfolgt die Abwicklung mit helvetischer Diskretion.“

„Wie stellen Sie das sicher? Ich meine, das mit der Kontrolle der Friedenssicherung…“, fragte Mister Röthlisberger interessiert.

„Bevor wir unsere Produkte verkaufen, müssen die Kunden ein Online-Formular ausfüllen: ‚Setzen Sie die Munitionen für friedliche militärischen Aktionen und moderat ein?‘ Wer mit ‚Ja‘ antwortet, kann den Bestellvorgang fortsetzen.“

„O.K…“

„Natürlich melden wir uns telefonisch oder per E-Mail auch bei denjenigen, die mit ‚Nein‘ geantwortet haben. Das wären doch ungenützte Business-Opportunitäten, oder nicht?“, sagte der Standverkäufer und zwinkerte dem Kunden zu.

„Apropos Business, ich habe gehört, dass ihr neuerdings auch in Krisengebiete exportiert…“, warf Mister Rothlisberger ein.

„Sie kennen uns! Wo eine Krise ist, müssen wir diese effizient lösen! Die Zivilisierung der Menschen liegt uns seit Jahrzehnten am Herzen. Aber wofür brauchen Sie die Waffen?“

„Friedenssicherung in den Schulen. Das Projekt heisst „Weapons for Peace“. Wir hatten in letzter Zeit ein paar Probleme mit aufmüpfigen Schülern, müssen die Lehrer schleunigst bewaffnen und neue Sicherheitsdispositive aufsetzen.“

„Da können wir mit Sicherheit helfen. Wir hätten auch automatisch gesteuerte Überwachungsdrohnen im Sortiment. Aber mit einer kleineren Einschränkung.“

„Die wäre?“, fragte Mister Rothlisberger.

„Die fliegen nur zu Bürozeiten.“

Die Meinung des Autors in diesem Beitrag entspricht nicht in jedem Fall der Meinung der Landeskirche.

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