Wahlsieger ist der Populismus

Es ist vorbei. Nach gefühlt hundert ausgestrahlten Dokumentationen über das „zerrissene Land“, in dem die Wählerinnen und Wähler – so ein häufig zitierter Satz – „die Wahl zwischen Pest und Cholera“ hatten, verbreiten sich an diesem Tag Schockstarre und ungläubiges Kopfschütteln. Der Mann, der Beleidigung und Menschenverachtung zum Wahlkampfmittel erhoben hat, hat gewonnen.

Der eigentliche Sieger aber heisst Populismus. Gewonnen haben Hass, Desintegration und Schwarz-Weiss-Malerei. Die Einsicht, dass für Gesellschaften, besonders multikulturelle wie die US-amerikanische, überlegte Auseinandersetzung mit dem Ziel des fairen Kompromisses überlebenswichtig ist, hat sich nicht durchgesetzt. Dieses Wahlergebnis ist eine Bedrohung für die demokratische Idee. Wahlumfragen aus aller Herren Länder zeigen, dass die offizielle Wunschdoktrin in Russland „Donald Trump“ hiess, und auch Marine Le Pen des französischen Front National empfahl den Herrn mit der windigen Frisur. Viktor Orban aus Ungarn und Jarosław Kaczyński in Polen hofften auf den Sieg von Donald.

Populismus ist ein Phänomen, das einen zentralen Kern hat: das sogenannte „Volk“ gegen die sogenannte „Elite“ zu positionieren. Der Politikwissenschaftler Cas Mudde spricht gar vom zu beobachtenden kommunikativem Antagonismus zwischen „reinem Volk“ und „korrupter Elite“. So vergleicht sich Marine Le Pen aus Frankreich mit Trump, da sie „beide nicht aus dem Establishment stammen“ würden. Populismus zielt ausserdem darauf ab, Mehrheiten nicht nur gezielt anzusprechen – das gehört zur Demokratie – sondern Populismus funktionalisiert die Rolle der Mehrheit. Sie wird gezielt überhöht, und ihr wird die einzig legitimierende Funktion von Entscheidungen zugeschrieben. Dies geht einher mit einer systematischen Abwertung von Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechten und Minderheitenschutz. Die Verknüpfung von Populismus mit der Behauptung, dass nur Mechanismen der direkten Demokratie – verstanden als unmittelbare Mehrheitsentscheidung über Sachfragen – legitim sei, ist eine der gefährlichsten politischen Cocktails unserer Zeit.

Und nun? Kommentatoren beklagen eine kommunikative Wüste, die in den USA entstanden sei, genährt durch fehlende Bildung, grassierende Armut und durch einen Mediensektor, an dem der Anteil des öffentlich-rechtlichen Sektors 2% beträgt. Ansonsten prägte platter, unkoordinierter Schlagabtausch in den sozialen Medien die Auseinandersetzung. Eine respektvolle und differenzierte Argumentationskulturkultur ist die Essenz der Demokratie.

Die Teilnahme an einer solchen Kultur muss jedoch beständig und aktiv ermöglicht werden, und dafür besteht nach meinem Dafürhalten aus drei wesentlichen Elementen: Erstens aus einer Schul- und Hochschulbildung für alle, die kostenfrei ist. Zweitens aus der Einsicht, dass Demokratie nicht vom Himmel fällt und politische Bildung und lebenslanges Demokratie-Lernen alle angeht, auch Organisationen wie die Kirchen. Diese Aufgabe darf nicht allein den Schulen aufgebürdet werden. Und drittens: Demokratie ist auf soziale Gerechtigkeit angewiesen – auf die Einschätzung und Grundstimmung aller Bürgerinnen und Bürger, dass alle mehr oder weniger ihren fairen Anteil bekommen: dies ist Ursache und gleichzeitig Wirkung des sozialen Friedens.

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6 Kommentare
  • Barbara Oberholzer
    Gepostet um 17:50 Uhr, 09. November

    Ich danke ganz herzlich für diesen wichtigen und fundierten Beitrag. Trump Ist nun demokratisch gewählt, da können wir nichts mehr tun. Doch Populismus existiert auch in der Schweiz! Und da bleiben wir alle gefordert: im Einstehen für die Benachteiligten der Gesellschaft. Und im Hinweisen darauf, dass nicht sie es sind, die Wohnungen und Stellen (nicht) vergeben, Kranke und Behinderte ausgrenzen, Löhne dumpen, nur auf schnellen Gewinn aus sind. – all das, was Menschen zurücksetzt, sie ohnmächtig und wütend macht. Und das ist der allerbeste Nährboden für Populismus. Gerade wir als Kirche stehen hier besonders in der Pflicht.

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    • Jeannette Behringer
      Gepostet um 17:51 Uhr, 11. November

      Sehr geehrte Frau Oberholzer

      Vielen Dank für Ihre Rückmeldung auf meinen Beitrag. Ich sehe ganz besonders die Pflege des demokratischen Diskurses als zentral an, der verschiedenen gesellschaftlichen Perspektiven Raum bietet. Das Selbstverständnis der Kirchen ist hier grundsätzlich gefragt: Sehen sie sich, unabhängig von ihren „theologischen Kernaufgaben“ als Anbieterin von Plattformen für diese Diskurse in der Gesellschaft? Können und wollen sie verschiedene Perspektiven in den Diskurs einbeziehen? Und wie sollen sich die Kirchen mit populistischen Tendenzen in der Gesellschaft auseinandersetzen? Wo sind die Grenzen des Diskurses? Wie reflektieren Kirchen und Glaubensgemeinschaften selbst populistische Tendenzen in ihren Reihen, und wie führen sie die Diskussion, wenn es um die sogenannten „christlichen Werte“ geht?

      Ich hoffe und würde mir wünschen, dass die aktuellen Tendenzen hinsichtlich populistischer Entwicklungen in Europa und in den Vereinigten Staaten auch eine Aufbruchstimmung erzeugen, die uns diese Debatten führen lassen.

      Freundliche Grüsse!

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      • Barbara Oberholzer
        Gepostet um 19:18 Uhr, 11. November

        Hmmmmm……. auch. Aber nicht nur – ich hoffe, ich verstehe Sie richtig. Die Kirche selbst darf nicht wertneutral sein bezüglich sozialer Gerechtigkeit und es belassen mit dem Ermöglichen nur des Diskurses. Wo sollen denn diese Debatten hinführen? Konkret? Menschen – auch Schweizer – wollen wahrgenommen werden in ihren Schwierigkeiten und ihrer Not und nicht nur sich selbst überlassen bleiben. Genau dies schafft Ohnmacht, Wut, Neidkultur und Entsolidarisierung.

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  • Anonymous
    Gepostet um 18:50 Uhr, 10. November

    Zum Abschluss … US Wahlen – 2016 …

    Wie die US Demokraten trotz allem am 19 Dez die von der Mehrheit Gewählte – 200’000 Votes Vorsprung gegenüber Donald Trump – ins Präsidium bringen könnten …

    Wenn sie wollte / n – fraglich.

    Ein paar US Republikaner überlegen es sich.

    Historisch noch nie da gewesen – doch nach US Verfassung möglich …

    In USA wählt nicht DAS VOLK den / die Präsidenten / in … sondern ANONYME electorals in jedem Bundesstaat am 19 Dez …

    The New York Post
    http://nyp.st/2fnb1bq

    Wäre historisch ein NOVUM

    … Michael Moore, The New York Post, 24 heures Lausanne …Zum Abschluss … US Wahlen – 2016 …

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  • Anonymous
    Gepostet um 19:32 Uhr, 10. November

    Nachzulesen in 24 heures Lausanne 10 Nov 2016 … Die wenigsten wissen dies.

    Clinton a encore une infime chance d’être présidente – 24 heures, l’actualité en direct: politique, sports, people, culture, économie, multimédia …

    http://mobile2.24heures.ch/articles/5824754dab5c374b76000001

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  • Anonymous
    Gepostet um 22:47 Uhr, 11. November

    Welcome to US American politics 2016

    Nachdem klar scheint dass ein Donald Trump die extremsten USA Vertreter / innen in seine zu bildende Regierung ins Kabinett ernennen will – von Newt Gingrich über Sarah Palin bis zu andern bekannten und befürchteten Namen …

    wurde heute eine globale USA Petition an das Electoral College lanciert …

    Globale US Petition zur Nichtwahl von President-elect Donald Trump am 19 Dez 2016 durch das Electoral College …

    https://www.change.org/p/electoral-college-electors-electoral-college-make-hillary-clinton-president-on-december-19

    Es ist verfassungsrechtlich möglich …

    Welcome – im surrealen Theater USA

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